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Geschichten & Bilder aus der Kurve     

Eine Motorradreise durch Wales

 Anreise 

Es ist immer wieder ein schönes Gefühl, mit der Fähre in einem anderen Land anzukommen. Von der Rampe des Schiffes auf fremden Boden zu rollen macht mir jedes Mal aufs Neue grossen Spass. So auch heute, als wir mit der Fähre aus dem niederländischen Hoek van Holland in Harwich im Südosten von England ankommen. Ich sitze recht entspannt auf meiner Versys, starte den Motor, als der Mann von der Schiffscrew das Zeichen dazu gibt, rolle gemütlich auf die Rampe zu und von dort dann herunter vom Schiff, bis wieder fester Boden unter den Reifen ist. Dann geht es raus aus dem Hafen, dabei sehe ich schon die ersten fremden Verkehrsschilder und muss hier in Grossbritannien auch daran denken, den Linksverkehr und die Meilen-Angaben zu beachten.

SO macht mir das Ganze Spass.

Weniger spassig sind allerdings die folgenden Stunden. Wir fahren quer durch das Land von Ost nach West, unser Ziel ist Bath im Südwesten von England. Die Strassen sind voll, teilweise stehen wir im Stau und kommen nur langsam voran. Insbesondere rund um zwei Kreisverkehre steht zeitweise alles still und wir sind froh, als wir den Grossraum London endlich hinter uns gebracht haben und den ruhigeren Westen Englands erreichen.

Pause in Süd-England
Pause irgendwo im nirgendwo von Englands Süden

Für die erste Nacht auf unserer Tour haben wir eine Unterkunft vorgebucht. In der Jugendherberge in Bath haben wir uns einen 'private room' reserviert, also einen Raum nur für uns. Die Jugendherbergen heissen hier in Grossbritannien übrigens 'Youth Hostel Association', kurz 'YHA'. Da wir heute Morgen bereits um 6:00 Uhr Ortszeit mit der Fähre angekommen sind, ist es gerade mal früher Nachmittag, als wir an der YHA Bath eintreffen. Sie befindet sich etwas höher gelegen am Rand der Stadt. Nach dem einchecken nutzen wir die restliche Zeit des Tages und fahren mit dem Bus in die Innenstadt. Die Bushaltestelle befindet sich direkt vor der Jugendherberge, was natürlich sehr praktisch ist. Bei der Fahrt in die Stadt wird es uns noch einmal bewusst, dass unsere Unterkunft recht hoch gelegen ist. Der Bus fährt fast die ganze Zeit bergab, bis wir mitten im Centrum von Bath aussteigen.

Ohne festen Plan folgen wir einfach dem Weg und stehen kurz darauf vor der Abteikirche Bath. Ein wenig eingezwängt, aber trotzdem recht gross und beeindruckend steht sie da und wird als Fotomotiv von vielen Touristen genutzt. Das ist eines von zwei Dingen, die mir hier sofort auffallen: Es gibt jede Menge Touristen, insbesondere Asiaten. Das zweite ist der viele Müll. Vor allen Geschäften stapeln sich die Plastiksäcke mit Abfall. Ich weiss nicht, ob heute Abend noch die Müllabfuhr kommt und alles abholt oder ob hier der Müll immer vor der Tür liegt, jedenfalls ist das kein besonders schöner Anblick.

Wir schlendern durch kleine Gassen, kaufen uns ein Eis und geniessen die Sonne und die warmen Temperaturen. Ohne die dicken Motorradsachen macht das richtig Spass.

Seit 1987 gehört Bath zum Weltkulturerbe der UNESCO und als wir durch das teils doch recht malerische Städtchen schlendern, können wir durchaus auch verstehen, warum.

Nur den Müll, den müssen wir dabei 'ausblenden'.

Bath
Ein Spaziergang durch Bath

Bath
Ein Spaziergang durch Bath

Bath
Ein Spaziergang durch Bath

Bath
Ein Spaziergang durch Bath

Nach knapp drei Stunden 'flanieren' fahren wir mit dem Bus wieder hinauf zu unserer Unterkunft, wo wir uns aus einigen mitgebrachten Vorräten unser Abendessen kochen. Draussen, im Garten der YHA, lassen wir es uns schmecken und überlegen dabei, wie wir Morgen weiterfahren wollen. Wales ist nicht mehr weit und wir legen uns einen schönen Weg zurecht, den wir nehmen wollen. Markus programmiert noch sein Navi und dann ist es auch schon Zeit, 'Gute Nacht' zusagen.


 Tag 1 

Das Wetter ist sehr schön an diesem Morgen. So schön, dass wir uns entschliessen, draussen zu frühstücken. Ausser uns ist anscheinend niemand auf diese Idee gekommen, denn wir sind ganz allein auf der grossen Wiese. Dafür checken schon recht früh die ersten Gäste aus. Asiaten, ich weiss nicht, aus welchem Land sie kommen, sind anscheinend Frühaufsteher. Mit einem freundlich-schüchternen Lächeln huschen sie samt Koffer an uns vorbei in Richtung des Parkplatzes. Uns ist das egal, wir lassen uns das Frühstück schmecken.

Jugendherberge Bath
Die Jugendherberge in Bath

Irgendwann brechen dann aber auch wir auf. Zuvor haben wir über die Rezeption der Jugendherberge noch eine Unterkunft für die nächste Nacht gebucht. Das war gar nicht so einfach, denn in Wales sind 'Bank-Holidays'. Das sind Tage direkt vor und nach Wochenenden, an denen alle Banken, Schulen und Geschäfte geschlossen haben und die von den Walisern gerne zu einem (verlängerten) Wochenendausflug genutzt werden. Daher war es nicht leicht, eine Unterkunft zu bekommen, ein Umstand, den wir in den nächsten Tagen noch des öfteren zu spüren bekommen werden.

Auf nach Wales

Aber davon ahnen wir jetzt gerade noch nichts und fahren daher guten Mutes in Richtung walisischer Grenze. Der kleine Ort Tintern ist unser erstes Ziel, genauer gesagt die Ruine von Tintern Abbey. Damit wir keinen grossen Umweg fahren müssen, queren wir den Bristolkanal auf einer Autobahnbrücke. Die ist eigentlich mautpflichtig, aber wir Motorradfahren werden einfach so durchgewunken. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht passiere ich die Schranke, an der die Fahrer der Autos, Wohnmobile, LKWs und Busse halten und ihre Portemonnaies zücken müssen. Die Aussicht von der Brücke ist recht spektakulär, allerdings gibt es an keiner Stelle die Möglichkeit, anzuhalten und Fotos zu machen. Daher fahren wir zügig durch auf die andere Seite des Kanals, der an dieser Stelle die natürliche Grenze zwischen England und Wales darstellt.

Kurz hinter der Brücke stehen wir dann im Stau. Auf der mehrspurigen Strasse ist es mehr ein 'STOP' als ein 'GO', aber wir nehmen es mit der Gelassenheit eines Urlaubers hin. Als ich neben einen kleinen Lieferwagen zu stehen komme, lässt der Fahrer die Scheibe herunter und fragt mich:
'Are you from Denmark?'
Verblüfft schaue ich ihn an und frage ihn, wie er denn auf Dänemark kommt. Er zeigt auf das Nummernschild von Markus' BMW, die vor mir steht und die das weisse 'D' auf blauen Grund als Nationalitätskennzeichen hat. Aah, jetzt verstehe ich.
'No, we are from Germany' erkläre ich ihm.
Nun ist er derjenige, der mich ungläubig anschaut.
'Germany? Where the hell ist a 'D' in 'Germany'? fragt er mich etwas gereizt und ich pruste fast laut los vor lachen. Zum Glück rollt genau in diesem Moment der Verkehr auf meiner Spur weiter und ich fahre los, ohne den Mann über dieses Phänomen aufzuklären. Da hat er heute Abend zu Hause etwas zu erzählen.

Tintern Abbey

Kurz darauf haben wir den Grund des Staus erreicht. Ein Bus hat sich in einem Kreisverkehr quer gestellt und blockiert nun drei der vier Spuren. Nachdem wir ihn hinter uns gelassen haben, kommen wir wieder zügig voran und es dauert nicht mehr lange, da rollen wir auf den Parkplatz von Tintern Abbey. Ich muss sagen, schon von hier sieht das ganze riesig aus. Die ganze Dimension des ehemaligen Zisterzienserklosters werden einem aber erst so wirklich bewusst, wenn man sich die Anlage von innen ansieht. Die ältesten Teile wurden in den Jahren 1131 bis 1136 gebaut. Die Anlage wurde jedoch in den folgenden Jahrhunderten ständig erweitert. Seit Mitte des 16. Jahrhundert wurde das Kloster dann nicht mehr bewirtschaftet und verfiel nach und nach. Kaum zu glauben, aber dieser riesige Bau geriet tatsächlich in 'Vergessenheit'. Erst Ende des 18. Jahrhundert wurde es wiederentdeckt und Anfang des 20. Jahrhundert umfangreich renoviert. So gilt Tintern Abbey heute als die am besten erhaltene Kirchenruine in Wales und wird momentan von der walisischen Denkmalschutzbehörde Cadw verwaltet.

Und die erhebt aktuell 6,50 Pfund Eintritt.

Das ehemalige Zisterzienserkloster Tintern Abbey
Das ehemalige Zisterzienserkloster Tintern Abbey

Das ehemalige Zisterzienserkloster Tintern Abbey
Das ehemalige Zisterzienserkloster Tintern Abbey

Das ehemalige Zisterzienserkloster Tintern Abbey
Das ehemalige Zisterzienserkloster Tintern Abbey

Bei dem sonnigen und warmen Wetter macht es richtig Spass, durch die Anlage zu gehen, denn sie spendet viel Schatten. Es sind zwar noch einige andere Touristen hier, aber die verteilen sich recht gut auf diesem weitläufigen Areal. So können wir ungestört Fotos machen und uns vorstellen, wie früher hier in diesem Kloster gelebt wurde.

Caerphilly Castle

Von Tintern aus fahren wir weiter Richtung Westen. Auf kleinen Strassen umfahren wir grossräumig Newport, die drittgrösste Stadt von Wales und steuern auf Caerphilly zu. Der Ort selbst zieht uns weniger an, es ist das gleichnamige Castle, das wir uns ansehen wollen. Und Caerphilly Castle ist nicht irgendein Schloss, sondern nach Windsor Castle in London die zweitgrösste Burg in ganz Grossbritannien.

Caerphilly Castle
Caerphilly Castle,die zweitgrösste Burg in ganz Grossbritannien

Caerphilly Castle
Caerphilly Castle,die zweitgrösste Burg in ganz Grossbritannien

Laut unserem Reiseführer umfasst das Gelände einschliesslich der umgebenden Wasserflächen über 12 ha. Als wir Caerphilly erreichen, fällt es uns daher nicht schwer, die Burg zu finden. Korrekterweise handelt es sich um eine Burgruine, die sich mit ihrer mächtigen Mauer vor uns aufbaut. Wir machen einige Fotos von aussen, verzichten aber aufgrund der Grösse der Anlage auf einer Umrundung. Das Wetter ist sehr schön heute und uns ist in unseren dicken Motorradsachen mächtig warm, so dass wir uns stattdessen ein Eis im Schatten gönnen. Dabei überlegen wir, ob wir an einer Führung durch die Burg teilnehmen wollen, entschliessen uns aber dagegen. Lieber wollen wir das gute Wetter nutzen, um mit unseren Maschinen ein paar Kurven unter die Räder zu nehmen und dabei den Fahrtwind zu geniessen. Ausserdem liegt unser heutiges Ziel, Port Eynon, direkt am Meer. Vielleicht können wir ja am Abend noch den dicken Zeh ins Wasser tauchen.

Immer weiter nach Westen

Unser Weg führt uns weiter Richtung Westen. Einen kurzen Zwischenstopp machen wir noch an einem Aussichtspunkt, der direkt an der A4061 liegt, der 'Bwlch-y-clawdd Road'. Keine Ahnung, wie man das ausspricht, aber die Strasse ist einfach nur schön zu fahren. Das sehen anscheinend auch die Waliser so. Bisher sind wir nur recht wenig anderen Motorradfahrern begegnet, aber als wir hier an dem Aussichtspunkt stehen, kommen so einige vorbeigefahren. Wir schauen abwechselnd auf die vorbeihuschenden Maschinen auf der Strasse und auf die schöne Aussicht mit Blick auf das Dorf Cwmparc, bis wir uns schliesslich selbst wieder auf den Weg machen.

Aussicht an der 'Bwlch-y-clawdd Road'
Aussicht an der 'Bwlch-y-clawdd Road'

Swansea, mit seinen knapp 170.000 Einwohnern immerhin die zweitgrösste Stadt von Wales, ist nicht so einfach zu umfahren. Wir streifen die Aussenbezirke der Stadt und fahren Richtung der Halbinsel Gower. Dort, im Süden, liegt unser heutiges Ziel: Die Jugendherberge in Port Eynon. Den Ort finden wir recht schnell und auch die Beschilderung zur JH ist nicht zu übersehen. Aber dann stehe wir vor dem Parkplatz eines Campingplatzes und wissen nicht mehr weiter. Keine Jugendherberge, kein Schild, kein Zeichen.

Unschlüssig sehen wir uns um. Schliesslich lesen wir die Buchungsbestätigung, die wir uns am Morgen in Bath haben ausdrucken lassen und finden den Hinweis, dass wir den Weg mit dem 'Durchfahrt verboten'-Schild nehmen müssen. Das ist eine schmale Schotterpiste, die ungefähr in Richtung Meer führt. Wir folgen dem Weg und stehen kurz darauf vor einem verschlossenen Tor. Dahinter befindet sich eine Wiese, auf der schon einige Camper ihre Zelte aufgebaut haben. Zu Fuss versuche ich von hier aus die Jugendherberge zu finden und tatsächlich, gut versteckt hinter hohen Büchen entdecke ich sie, direkt am Meer gelegen mit einer superschönen Aussicht auf das Wasser. Der Herbergsvater kommt direkt mit mir mit. Er hat den Schlüssel für das Tor, durch das wir nun quer über die Campingwiese bis in der Nähe der Herberge fahren und dort die Maschinen abladen können. Danach müssen wir die Motorräder allerdings wieder zurück vor das Tor bringen, dort müssen sie stehen bleiben. Einige PKW sind hier bereits abgestellt. Mit diesem 'Parkhandicap' müssen die Besucher der Jugendherberge hier leider leben. Die Betreiber haben keine Erlaubnis bekommen, dass ihre Gäste direkt am Haus parken dürfen. Etwas umständlich finden wir das schon, aber die schöne Lage samt Aussicht entschädigt uns dafür.

Motorradparkplatz
Motorradparkplatz

Jugendherberge Port Eynon
Die Jugendherberge Port Eynon

Nachdem wir unser Zimmer bezogen haben, gehen wir zu Fuss in den nahe gelegenen Ort. Dort finden wir einen netten Pub mit Namen 'The Ship Inn', in dem wir nicht nur ein 'Feierabendbierchen' bekommen, sondern wo auch ein recht gutes Essen serviert wird. Ich persönlich kann 'Fish & Chips' hier durchaus empfehlen. Es dämmert bereits, als wir schliesslich recht zufrieden mit dem Tag zurück zur Jugendherberge gehen. Dort setzen wir uns in den Aufenthaltsraum und machen uns ein paar Gedanken über die Route, die wir Morgen nehmen wollen. Ein festes Ziel haben wir nicht, sondern wollen uns einfach treiben lassen. So haben wir es unterwegs am liebsten.

Jugendherberge Port Eynon
Die Jugendherberge Port Eynon

Dort in dem Aufenthaltsraum kommen wir auch mit einer Familie aus Wales ins Gespräch. Vater, Mutter und zwei kleine Kinder sitzen an einem Puzzle. Der Vater fragt, woher wir kommen und wir sagen wie immer in solchen Situationen 'Dortmund', weil das die Grossstadt ist, die unserer Heimat am nächsten liegt. Der Mann nickt und erzählt dann, dass er häufig nach Düsseldorf fliegt und ab da mit dem Zug weiter bis Essen fährt. Dort hat er regelmässig beruflich zu tun.

Die Welt ist ein Dorf. Und die Globalisierung hat auch Wales längst erreicht .


 Tag 2 

In der Nacht bin ich einige Male wach geworden. Ein lautes Gewitter ist über Port Eynon hinweggezogen und hat jede Menge Regen auf den Ort herunterprasseln lassen. Als ich am Morgen aufwache, denke ich an die vielen Camper, die quasi gleich um die Ecke auf der grossen Wiese in ihren Zelten übernachtet haben. Hoffentlich haben die alles gut überstanden.

Wir frühstücken, packen dann unsere Sachen und machen uns auf dem Weg zu unseren Motorrädern. Beim auschecken erzählt uns Dianne, die 'Herbergsmutter', über ihre Reisen nach Indien und Südamerika und dass sie und ihr Mann Martin hier 'ihren' schönsten Ort auf Erden gefunden haben. Es muss ein tolles Gefühl sein, an seinen persönlichen Favoriten dieser Welt zu leben. Nicht, das ich mich dort, wo ich wohne, unwohl fühle. Aber spontan fallen mir bestimmt ein halbes Dutzend Orte ein, an denen ich mir ebenfalls sehr gut vorstellen könnte, mich niederzulassen ;-)

Auf dem Weg zu unseren Motorrädern kommen wir wieder an den Campern vorbei. Die sind richtig im Stress. Sie schöpfen das Wasser aus ihren Zelten und hängen nasse Schlafsäcke und andere Dinge zum trocknen raus. Da hat der Regen heute Nacht anscheinend richtig zugeschlagen. Zum Glück ist es heute Morgen trocken, teilweise schaut sogar die Sonne zwischen den Wolken hervor. Da sollte es mit dem trocknen klappen. Auch rund um unsere Maschinen haben sich grosse Pfützen gebildet, durch die wir uns aber nicht beim festzurren unseres Gepäcks stören lassen. Kurz darauf rollen wir über die kurze Schotterpiste zurück bis in den Ort und machen uns auf Richtung Westen.

Laugharne Castle

Wir verlassen die Halbinsel Gower über kleine, kurvenreiche Strassen. Markus hat sein Navi gut im Griff, wir fahren wirklich schöne Strecken. Die Strassen hier sind rechts und links zumeist von höhen Büschen eingerahmt und das fahren macht hier mächtig Spass.

Landstrasse in Wales
Viele der Strassen werden von hohen Hecken eingerahmt

In dem kleinen Ort Laugharne liegt links am Wegesrand dann eine Burgruine. Burgen und Burgruinen gibt es in Wales ja jede Menge, aber diese sieht wirklich altehrwürdig aus. Wir stoppen an dem kleinen Parkplatz neben der Ruine und sehen uns das Ganze ein wenig näher an. Dabei erfahren wir aus einer Infotafel, dass dieses Laugharne Castle (walisisch: Castell Talacharn) auch schon Künstler inspiriert hat: Den britischen Maler William Turner zu einem Gemälde und die beiden Schriftsteller Richard Hughes und Dylan Thomas zu einem Roman bzw. mehrere Gedichte. Wir befinden uns also in guter Gesellschaft, wenn uns diese Ruine so gut gefällt.

Ruine von Laugharne Castle
Die Ruine von Laugharne Castle

Tenby, beliebter Badeort im Westen von Wales

Wir verlassen Laugharne und fahren weiter Richtung Westen. Dabei halten wir uns immer recht dicht an der Küste, bis wir Tenby erreichen. Am Rande der Stadt stellen wir die Motorräder ab und machen uns zu Fuss auf Richtung Stadt. Die Aussichten auf das Meer und vor allem auf die Stadt, die wir dabei haben, sind durchaus recht spektakulär.

Tenby, ein beliebter Küstenort
Blick auf den Strand

Tenby, ein beliebter Küstenort
Blick auf den Ort

Tenby, ein beliebter Küstenort
Blick auf den Ort

Als wir schliesslich das Centrum erreichen, wird uns schlagartig klar, dass Tenby ein sehr beliebter Badeort ist. Menschenmassen schieben sich durch die schmalen Gassen, in die Geschäfte kommt man kaum hinein und vor den Eisdielen stehen meterlange Schlangen. Recht schnell sind wir uns einig, dass wir auf so viel Trubel heute keine Lust haben. Daher gehen wir zurück zu unseren Maschinen und lenken unsere Räder weiter Richtung Westen.

Kleine Stadt am Meer: Broad Haven

Es ist bereits Nachmittag, daher fangen wir an, nach einer Unterkunft für die Nacht zu suchen. Hier in der Nähe gibt es die YHA Manorbier, aber dort ist kein Platz mehr frei. Lediglich in einem grossen Zelt abseits des Hauptgebäudes könnten wir unterkommen, aber das wollen wir nicht. Also fahren wir weiter und versuchen es als nächstes in Broad Haven. Dort bietet man uns drei Plätze in einem Sieben-Bett-Zimmer an, sonst ist nichts mehr frei. Wir haben mittlerweile bereits nach sechs Uhr, daher beschliessen wir, dass Angebot anzunehmen und hier zu bleiben.

Jugendherberge Broad Haven
Die Jugendherberge Broad Haven

Schnell haben wir unsere Sachen verstaut und machen uns zu Fuss auf den Weg in den kleinen Ort. Hier gibt es zwei Pubs, wir entscheiden uns für den ersten, an dem wir vorbeikommen. Es ist mächtig was los hier, ein Fussballspiel der ersten englischen Liga wird live übertragen und die Emotionen kochen bei den meist jungen Fussballfans hoch. Wir finden einen Platz in einer ruhigen Ecke und bestellen etwas zu essen. Wir haben in GB immer recht gute Erfahrungen mit den Menüs in den Pubs gemacht, egal ob in Schottland, Cornwall oder Irland. Und auch hier sind wir satt und zufrieden, als wir uns gegen neun Uhr wieder auf den Weg Richtung Unterkunft machen. Broad Haven liegt direkt am Meer und die Sonne steht bereits recht tief. Nicht wenige Menschen sind am Strand, um den Sonnenuntergang zu bewundern. Auch wir stellen uns an die Kaimauer und beobachten, wie die Sonne sich durch die wenigen Wolken durchkämpft und langsam untergeht.

Broad Haven
Broad Haven: Fussweg von der JH in die Stadt

Broad Haven
Broad Haven: Blick auf den kleinen Ort

Broad Haven
Sonnenuntergang in Broad Haven

Wir gehen zurück zu unserem Hostel und setzen uns noch ein wenig in den Aufenthaltsraum. Dort treffen wir auf eine walisische Familie, die hier mit ihren drei Kindern die Ferien verbringt. Die Mutter der drei hatte als Kind eine Brieffreundin im deutschen Marburg und hat sie dort auch einmal besucht. Ihre eigenen Kinder gehen auf eine walisische Schule und werden dort auf walisisch unterrichtet. Als erste (Pflicht-) Fremdsprache lernen sie englisch, als zweite deutsch. Generell sind wir überrascht, dass viele Waliser zumindest einige Brocken deutsch sprechen können und dies uns gegenüber auch gerne zeigen.

Als wir schliesslich ins Bett gehen, sind wir die ersten auf unserem Zimmer, das heute Nacht mit fünf Männern belegt ist. Mir ist das im Augenblick egal, denn kaum liege ich im Bett, schlafe ich auch schon ein.


 Tag 3 

Zu fünft im 7-Bett-Zimmer war nicht so wirklich toll. Ständig wälzte sich jemand hin und her, hustete oder stand auf und ging zur Toilette. Darum habe ich nicht besonders gut geschlafen. Um kurz nach sieben stehe ich dann unter der Dusche und kurz darauf sitze ich im Wintergarten der Jugendherberge, um zu frühstücken. Zwar würden die Temperaturen es auch heute zulassen, draussen auf der Terrasse zu essen. Aber die vielen Mücken, die es hier gibt, stören dort doch sehr. Kurz nach mir kommen auch Johannes und Markus, gemeinsam lassen wir uns in aller Ruhe das Frühstück schmecken.

So ist es fast 10 Uhr, als wir auf unseren Motorrädern in den Tag starten. Heute wollen wir zumindest tagsüber mehr durch das Landesinnere fahren. An der Küste ist es sehr voll, auch auf den Strassen machen sich die 'Bank-Holidays' bemerkbar. Daher lenken wir die Maschinen Richtung Osten. Das Wetter ist zwar nicht das allerbeste, aber es ist trocken und wir sind auf den kleinen und engen Strassen meist alleine unterwegs. Hin und wieder halten wir an, um die Aussichten zu geniessen. Die Landschaft ist sehr grün, man merkt, dass in dieser Region recht viel Regen herunter kommt.

Landschaft in Wales
Schöne Aussichten im südlichen Wales

Landschaft in Wales
Schöne Aussichten im südlichen Wales

Landschaft in Wales
Schöne Aussichten im südlichen Wales

Unerwünscht in Carmarthenshire

Nach knapp zwei Stunden Fahrt kommen wir in den Ort Carmarthenshire. Der liegt direkt am Teify, einem zumindest an dieser Stelle recht breiten Fluss. Eine alte Brücke führt darüber und wir nutzen das für einen kleinen Fotostopp. Anschliessend wollen wir dann auf der anderen Seite der Brücke in einem Pub eine Cappuccino-Pause machen. Auf dem Parkplatz nebenan stehen bereits einige Motorräder und auch Autos. Als wir allerdings ebenfalls dort unsere Maschinen abstellen wollen, stellt sich uns der Parkwächter in den Weg. Ohne Worte, nur mit eindeutigen Gesten verweigert er uns die Zufahrt. Auf unsere Frage, warum, bekommen wir keine Antwort. Er verzieht nur angeekelt das Gesicht und gibt uns noch einmal das klare Zeichen, das wir verschwinden sollen. Wir können nur vermuten, was diesen Menschen gebissen hat. Aber gut, wenn wir hier nicht willkommen sind, dann eben nicht.

Brücke über den Teify in Carmarthenshire
Brücke über den Teify in Carmarthenshire<

Blick auf den Teify in Carmarthenshire
Blick auf den Teify in Carmarthenshire<

Beic modur gwyn
'Beic modur gwyn'
Das sind keine Hieroglyphen, das ist walisisch und bedeutet schlicht und einfach 'weisses Motorrad'
Wie das allerdings ausgesprochen wird, weiss ich auch nicht so genau ... :o)

Wir können uns nicht beklagen. Kaum zehn Minuten später bekommen wir in dem Nachbarort von einem freundlichen Waliser einen leckeren Cappuccino serviert, den wir draussen in dem Garten vor dem Pub geniessen. Danach machen wir uns auf Richtung Norden. Und haben richtig Spass an den kleinen Strassen. Auch die Landschaft ist hier einfach nur Klasse: Mehr Kurven, mehr Hügel, mehr grün, einfach nur mehr schön. Markus hat eine wirklich schöne Strecke heraus gesucht, da lassen wir ihn gerne vorfahren :o)

Von Brücken und Legenden: Devil's Bridge

Am frühen Nachmittag erreichen wir dann 'Devil's Bridge'. Dieser Ort steht eigentlich in jedem Reiseführer und wird dort als 'spektakuläre Brücke' angepriesen. Dementsprechend viel ist hier los. Wir stellen unsere Maschinen ab und machen uns zu Fuss auf den Weg. Bei der Brücke handelt es sich nicht nur um eine, sondern gleich um drei Brücken, alle übereinander gebaut. Die erste soll schon im 11. Jahrhundert entstanden sein, die zweit, darüber liegende stammt aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. 1901 schliesslich wurde die dritte Brücke obendrauf gesetzt. Sie ist eine reine Eisenbrücke und alle drei überspannen den Fluss Mynach.

Welcome to Devil's Bridge
Welcome to Devil's Bridge

Das eigentlich spannende ist die unterste der drei Brücken, die auch 'Teufelsbrücke' genannt wird. Die Legende sagt, dass sie vom Teufel persönlich erbaut wurde. Der verlangte als Preis für seine Arbeit die Seele des ersten Lebewesens, dass die Brücke betreten würde. Doch die Menschen überlisteten den Teufel, indem sie einen Hund über die fertige Brücke lockten. Wutentbrannt verliess der Teufel Wales und kehrte nie wieder zurück.

Dies ist die Kurzform der Legende. Und ehrlich gesagt, finde ich die spannender als die Brücke(n) selbst. Und irgendwie kommt mir diese Geschichte auch bekannt vor. In ganz ähnlicher Form wird sie über den Bau des Aachener Doms erzählt.

Devil' Bridge Wegweiser
Da geht's lang

Die Brücken von Devil' Bridge
Die Brücken von Devil' Bridge

Der Fluss Mynach in Devil's Bridge
Der Fluss Mynach ist eigentlich mehr ein Flüsschen

Wir haben genug Brücken gesehen und Teufelsgeschichten gehört. Es wird Zeit, uns eine Unterkunft zu suchen. Wir fahren Richtung Küste und halten unterwegs die Augen nach einem B&B offen. Aber hier gibt es nicht viele und die wenigen, die wir sehen, sind alle belegt. An der Küste versuchen wir es in der Jugendherberge in Aberystwyth, aber auch dort ist kein Bett mehr frei. Wir beschliessen, wieder Richtung Landesinnere zu fahren und rechnen uns dort bessere Chancen aus als an der Küste. Aber überall, wo wir anhalten, ist bereits alles belegt. Schliesslich erreichen wir 'Machynlleth', das am südlichen Ende des Snowdonia-Nationalparks liegt. Auch hier ist alles ausgebucht und wir nehmen nun aufgrund der späten Uhrzeit auch Hotels in unsere Suche mit auf. Aber selbst die haben keine freien Betten mehr. Die Bank-Holidays lassen unangenehm grüssen...

Kurz, nachdem wir Machynlleth Richtung Osten verlassen haben, sehen wir einen Abzweig zu 'Grandma's Garden', offensichtlich einem Hotel. Kurz entschlossen folgen wir dem kleinen Weg und stehen kurz darauf vor einem recht nobel aussehenden 'Plas Dolguog-Hotel'. Mit "Grandma's Garden' ist der nahegelegene Golfplatz gemeint. Die vielen Luxuskarossen, die vor dem Haus stehen, lassen uns zweifeln, ob das hier unsere Kragenweite ist. Trotzdem stampfe ich einfach mal hinein und frage nach. Die junge Frau an der Rezeption mustert mich in meiner Motorradkluft recht skeptisch, bietet mir dann aber doch ein Einzel- und ein Doppelzimmer an. Allerdings zu Preisen, die eigentlich ausserhalb unseres Budgets liegen. Aber ein Blick auf die Uhr, die mittlerweile schon nach sieben anzeigt, überzeugt uns schliesslich. Wir nehmen uns vor, am nächsten Morgen beim Frühstück den Kühlschrank leer zu essen, dass muss bei diesen Preisen einfach drin sein :o)

Das 'Plas Dolguog-Hotel' in Machynlleth
Das 'Plas Dolguog-Hotel' in Machynlleth

Schnell beziehen wir die Zimmer und fahren dann auf unseren Motorräder zurück nach Machynlleth. Dort essen wir noch eine Kleinigkeit. Ein anschliessender Spaziergang durch den Ort fällt leider aus, da es zu regnen beginnt. Daher fahren wir zurück ins Hotel und setzen uns noch ein wenig an die Bar. Dort werden wir von zwei älteren Herren angesprochen. Ob wir die Motorradfahrer aus Deutschland sind, wollen sie wissen. Als wir das bejahen, bekommen wir jede Menge Geschichten serviert, bei denen Motorradfahrer aus ihrem Umfeld durch Unfälle Arme, Beine und sogar das Leben verloren haben. Es dauert eine Weile, bis sie endlich unser Desinteresse akzeptieren und wir den Abend ungestört mit der Routenplanung für den morgigen Tag ausklingen lassen können.


 Tag 4 

Es regnet. Und der Himmel sieht auch nicht so aus, als würde es schon bald damit aufhören. So ein Mist. Es ist das erste Mal auf dieser Tour, dass wir im Regen aufstehen. Ich hätte nichts dagegen, wenn es auch das letzte Mal wäre.

Immerhin müssen wir uns heute nicht selber um unser Frühstück kümmern. Da wir in einem Hotel sind, bekommen wir das serviert. Wir haben die Wahl zwischen einem 'full Welsh breakfast' oder Lachs mit Ei. Dazu gibt es jede Menge Toast mit Marmelade und verschiedene Sorten Müsli. Die Briten scheinen keine ausgiebigen Frühstücker zu sein, was mich bei dieser recht spartanischen Auswahl aber auch nicht wundert. Die meisten kommen in den Frühstücksraum, schaufeln das Essen in sich hinein und sind dann auch schon wieder weg. Wir erregen tatsächlich etwas Aufmerksamkeit, als wir je eine zweite Kanne Tee und Kaffee bestellen und die auch noch in aller Ruhe leermachen. So etwas kennt man hier anscheinend kaum.

Nach dem Frühstück packen wir unsere Sachen. Mittlerweile hat es zum Glück aufgehört zu regnen, wenn auch der Himmel immer noch grau und Wolkenverhangen ist. Ganz im Gegensatz zu dem grün der Wiesen und Bäume. Die Aussicht von meinem Balkon ist dementsprechend quasi eine Orgie in Grün- und Grautönen. Es scheint, als regnet es hier öfter. Wir nutzen die momentane 'Trockenzeit', beladen die Motorräder und starten in den Tag.

Das 'Plas Dolguog-Hotel'
Aussicht vom Balkon meines Hotelzimmers

Das 'Plas Dolguog-Hotel'
Unser Motorradparkplatz vor dem 'Plas Dolguog-Hotel'

Wir fahren Richtung Norden. Die Strassen sind noch nass, aber wie gestern wieder recht kurvig. Und da auch die Wolken lichter werden, macht das Ganze richtig Spass. Bei Penmaenpool, einem kleinem Kaff, das eigentlich nur aus zwei Häusern zu bestehen scheint, nutzen wir die Chance zu einer Abkürzung. Statt noch viele Kilometer entlang eines Flusses weiter bis zur nächsten regulären Strassenbrücke zu fahren, nehmen wir einfach die Holzbrücke, die hier hinüber auf die andere Uferseite führt. Das geht recht problemlos und verspricht ein klein wenig Nervenkitzel.

Holzbrücke bei Penmaenpool
Holzbrücke bei Penmaenpool

Nach einem kurzen Stück in westlicher Richtung führt uns schon bald darauf unser Weg weiter nach Norden. Wir fahren für einige Meilen direkt an der Küste entlang und haben immer wieder sehr schöne Aussichten auf das Meer. Hier sind nicht viele Fahrzeuge unterwegs, meist haben wir die Strasse für uns allein und eine Parkbucht nutzen wir für einen Fotostopp. Der Himmel ist immer noch grau und ich überlege, wie das ganze hier bei Sonnenschein aussehen mag. Ganz sicher nicht schlechter.

Westküste von Wales
Aussicht an der walisischen Westküste

Mittlerweile ist es bereits Mittag, daher steuern wir in dem kleinem Küstenort Llandanwg das 'Beach Cafe' an. Trotz der nicht gerade sommerlichen Temperaturen ist es hier recht voll. Mit einem Cappuccino in der Hand setzen wir uns draussen vor das Cafe auf eine Holzbank und werden dort prompt von einer jungen Walisischen Familie angesprochen, die hier die 'Bank-Holidays' für einen kleinen Urlaub nutzen. Der Vater empfiehlt uns, das nahe gelegene 'Harlech Castle' zu besuchen, das wäre sehr schön, eines der schönsten Schlösser überhaupt in Wales. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass es gar nicht so weit weg von hier ist. Und wenn wir schon einen Tipp von einem 'local' bekommen, dann wollen wir uns das auch ansehen. Und so rollen wir eine gute halbe Stunde später in den Ort Harlech hinein und es wird uns sogleich klar, dass Ansichten und Geschmäcker verschieden sind. Dieser recht kleine Ort ist vollgestopft mit Touristen und das 'schönste Schloss in Wales' entpuppt sich als Burgruine, die nur über einen nachträglich angelegten Zugang erreichbar ist.

Gegen Gebühr, versteht sich.

Harlech Castle
Das schönste Schloss in Wales? Blick auf Harlech Castle

Nein, so hatten wir uns den 'heissen' Tipp eines Einheimischen wirklich nicht vorgestellt. Nach einem Foto steigen wir auf die Motorräder und fahren weiter Richtung Norden.

Wir fahren heute fast schon den ganzen Tag lang durch den "Snowdonia-Nationalpark". Und das merken wir auch. Eine sehr schöne Landschaft, tolle Strassen und sehr viel Grün, all das bekommen wir hier in Hülle und Fülle geboten. Und warum es hier so grün ist, wird uns auch klar, als es wieder zu regnen beginnt. Trotz der noch relativ frühen Uhrzeit beginnen wir daher, nach einer Unterkunft Ausschau zu halten. Davon gibt es hier anscheinend nicht viele, zumindest finden wir keine. Dafür machen wir noch eine Pause in der Nähe von Rhyd Ddu. Hier hat gerade eine historische Eisenbahn einen Halt eingelegt und bunkert Kohle für die Lokomotive. Da just in diesem Moment auch der Regen aufhört, machen wir einen kleinen Fotostopp. Hier ist einiges los. Viele Passagiere des Zuges stehen auf dem Bahngleis, vertreten sich die Beine oder machen wie wir Fotos.

Historische Eisenbahn in Rhyd Ddu
Pause der historischen Eisenbahn in Rhyd Ddu

Historische Eisenbahn in Rhyd Ddu
Pause der historischen Eisenbahn in Rhyd Ddu

An einer Fahrt mit der Eisenbahn durch diesen Nationalpark hätte ich auf jeden Fall auch Spass. Vielleicht ergibt sich das ja noch. Jetzt aber fahren wir weiter und erreichen bald darauf das 'Basecamp Wales', ganz in der Nähe von Llanllyfni, etwas nordöstlich des Snowdonia-Nationalparks. Tim, der Verwalter, hat leider kein Zimmer mehr frei, bietet uns aber an, im Aufenthaltsraum einen Tee zu trinken und das kostenlose WLAN für eine Online-Unterkunftssuche zu benutzen. Während wir noch überlegen, was wir machen wollen, kommt ein Mitarbeiter von Tim hinzu. Er schlägt vor, uns einfach drei Matratzen in ein leeres Zimmer zu legen. Wir sehen uns den Raum an, der zwar tatsächlich komplett leer, aber absolut sauber ist. 'Warum nicht?' fragen wir uns und mieten das Zimmer gleich für zwei Nächte. Tim und sein Mitarbeiter packen nagelneue Matratzen aus, legen sie auf den Boden und schon ist unser Zimmer 'fertig' zum Bezug. Innerlich muss ich grinsen: Was für ein Kontrast zu dem Nobelhotel letzte Nacht. Aber für uns ist das hier OK, vom Balkon aus haben wir sogar unsere Motorräder im Blick.

Das 'Basecamp Wales' in der Nähe von Llanllyfni
Das 'Basecamp Wales' in der Nähe von Llanllyfni

Das 'Basecamp Wales' in der Nähe von Llanllyfni
Unsere "Luxussuite" :o)

Recht schnell laden wir unser Gepäck ab und fahren dann in den nahegelegenen Ort, um in den dortigen Supermarkt für unser Abendessen einzukaufen. Das kochen wir uns dann in der Selbstversorgerküche unseres Hostels, die wirklich bestens ausgestattet ist. Sogar eine Spülmaschine gibt es hier. Das ist keine Selbstverständlichkeit in diesen Unterkünften, und wir machen dankend davon Gebrauch.

Nach dem Essen machen wir noch einen kleinen Spaziergang. In der Ferne sehen wir den Mount Snowdon, den mit 1085 Metern Höhe höchsten Berg in Wales und gleichzeitig Namensgeber des Snowdonia-Nationalparks. Laut Tim ist der Gipfel von hier aus fast immer in Wolken gehüllt - so leider auch Heute.

Mount Snowdon
Blick auf den Mount Snowdon, der wie fast immer in Wolken gehüllt ist

Zurück im Aufenthaltsraum des 'Basecamp Wales' werden wir noch einen Blick auf die Karte und beschliessen, Morgen auf die Insel Anglesey zu fahren, die im ganz im Nordwesten von Wales liegt. Markus füttert sein Navi mit einem schönen Rundkurs, dann ziehen wir uns zurück in unsere 'Luxussuite' :o)


 Tag 5 

Heute starten wir für unsere Verhältnisse recht spät in den Tag. Es ist fast halb elf, als wir vom Parkplatz unserer Unterkunft rollen. Dabei fühle mich irgendwie so 'erleichtert'. Kein Wunder, denn da wir hier im 'Basecamp Wales' zwei Nächte bleiben, habe ich meine Seitentaschen abgemacht und habe lediglich den Tankrucksack als Gepäck dabei. Und noch einen weiterer Vorteil haben wir mit unserer 2-Nächte-Buchung: Heute Abend müssen wir uns keine Unterkunft suchen. Kein ärger also mit 'Bank-Holidays' oder ähnlichen Dingen. Dafür allerdings ist der Himmel grau und trüb, hoffentlich bleibt es trocken.

Caernafon Castle

Wir lenken unsere Vorderräder gen Norden. Ziel ist die Insel Anglesey im Nordosten von Wales, die wir heute erkunden möchten. Ausserordentlich weit fahren wir allerdings zunächst nicht, denn nach ungefähr 15 Kilometer halten wir bereits wieder an. Wir stehen in dem örtchen Caernafon vor dem gleichnamigen Schloss. Von aussen fällt es gar nicht sofort auf, aber es handelt sich um eine Burgruine. Bereits Ende des 11. Jahrhunderts stand hier eine 'Motte', also eine überwiegend aus Holz errichtete Burg. Erst im späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts rissen die Engländer dieses nieder und errichteten an dessen Stelle dieses doch recht imposante Schloss als Symbol der englischen Herrschaft über die Waliser.

Caernafon Castle
Caernafon Castle

Im Moment ist hier Ebbe und die vielen Boote vor der Burg liegen überwiegend auf dem trockenen. Trotzdem ist recht viel los in dem kleinen Hafen, was allerdings nicht zuletzt auch an den vielen Touristen liegt, die wie wir rund um das Schloss laufen auf der Suche nach dem besten Standort für ein schönes Foto. Und damit niemanden etwas dabei passiert, sind regelmässig Schilder aufgestellt, die die Menschen vor den Gefahren warnen, die hier lauern. Hier sieht man mal wieder die Macht des Bildes: Vom Text verstehe ich kein Wort. Und weiss trotzdem genau, um was es geht :o)

Warnschild
Auch ohne walisische Sprachkenntnisse eindeutig

In neuerer Zeit wurde Caernafon Castle übrigens bekannt durch die feierliche Einsetzung des 'Prince of Wales', die hier am 1. Juli 1969 stattfand. Niemand geringerem als Prince Charles wurde dieser Titel seinerzeit verliehen.

1986 schliesslich wurden die Burg und auch die Stadtmauer von Caernafon auf die Liste als Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen. Wie schon das Kloster Tintern Abbey wird auch Caernafon Castle von der walisischen Denkmalschutzbehörde Cadw verwaltet.

Auf der Insel Anglesey

Wir sind genug gelaufen und setzen uns wieder auf unsere Motorräder. Kurz fahren wir mitten durch die Innenstadt von Caernafon und bestaunen dabei auch die Ausmasse der Stadtmauer, die wirklich beeindruckend ist. Anschliessend folgen wir für ein kurzes Stück der A487, die teilweise direkt an der Küste entlang führt und biegen dann auf die A55. über die 'Britanniabrücke' überqueren wir die 'Menaistrasse', eine Meeresenge, die zwischen Nordwales und der Insel Anglesey liegt.

Anglesey empfängt uns mit total überfüllten Strassen. Gleich die erste Abfahrt nutzen wir, um die A55 zu verlassen, aber auch auf den kleineren Strassen ist jede Menge los. Das ändert sich erst, als wir Richtung Küste abbiegen. Und mit dem abnehmenden Verkehr werden auch die Wolken weniger, was uns natürlich beides ausserordentlich gut gefällt. Wir machen eine kleine Pause an einem Parkplatz und auch, wenn der Himmel noch nicht ganz klar ist, geniessen wir die Aussicht.

Westküste von Anglesey
Pause an der Westküste von Anglesey

Unser Weg führt uns auf kleinen Strassen entlang der Westküste von Anglesey weiter nach Norden. über eine kleine Brücke fahren wir hinüber auf die Insel 'Holy Island' und dort weiter bis zum Leuchtturm 'South Stack'. Dies ist anscheinend ein sehr beliebter Ort, denn hier ist jede Menge los. Wir ignorieren die ersten Parkplätze und fahren einfach weiter bis an das Ende der Strasse und haben damit alles richtig gemacht: Für Motorräder findet sich immer ein Platz zum Parken, so auch hier. Mit dem Fotoapparat in der Hand machen wir uns auf Motivsuche, denn dieser Leuchtturm und vor allem seine Lage sind wirklich sehr schön anzusehen.

Leuchtturm South Stack
Leuchtturm South Stack

Leuchtturm South Stack
Leuchtturm South Stack

Wer möchte, kann auch bis ganz nach unten gehen. 400 Stufen sollen es sein, die über die Treppe hinab führen. Uns ist es für so eine Kletterpartie allerdings zu warm. Mittlerweile verdrängt die Sonne mehr und mehr die grauen Wolken und bringt damit entsprechende Temperaturen, die wir in unserer Motorradkluft ganz besonders zu spüren bekommen. Stattdessen lassen wir unsere Blicke auch in andere Richtungen schweifen und auch diese Aussichten können sich durchaus sehen lassen.

Westküste von Anglesey
Westküste in der Nähe des Leuchtturms South Stack

Zurück an den Motorrädern habe ich eine Art 'Deja-vu'. Ein Vater und sein ungefähr zehnjähriger Sohn bauen sich vor unseren Maschinen auf. Vater erklärt, dass dies hier zwei BMWs und eine Kawasaki sind und wir aus 'D' wie Denmark kommen... Nein, nicht schon wieder ;-) Junior jedenfalls ist schwer beeindruckt vom Wissen seines Vaters und schaut ihn staunend und respektvoll an. Wir sagen nichts dazu, warum sollen auch dem Sohn seine Ehrfurcht nehmen?

Grundsätzlich aber sind solche Erlebnisse eine Ausnahme. Die meisten Waliser erkennen uns recht schnell als Deutsche und überraschen uns immer wieder mit ein paar deutschen Wörtern. Ob beim Tanken oder im Supermarkt, ob im Pub oder am Abend in den Unterkünften: Ein freundliches 'Guten Tag' oder 'Auf Wiedersehen' hören wir sehr oft.

Wir verlassen 'South Stack' und fahren nun quer über die Insel Richtung Osten nach Holyhead. Das ist die grösste Stadt auf Anglesey und von hier aus fahren die Fähren hinüber in das irische Dublin. Es ist schon früher Nachmittag, daher gönnen wir uns am Rande des Ortes einen kleinen Snack. Anschliessend folgen wir eine Zeitlang der Ostküste der Insel und haben auch hier immer wieder sehr schöne Aussichten.

Auf der Insel Anglesey
Schöne Aussichten auf der Insel Anglesey

Um zurück auf das Festland zu kommen wollen wir diesmal nicht die Autobahn und die 'Britanniabrücke' nutzen, sondern die wenige Kilometer östlich davon gelegene 'Menai-Bridge'. Diese wurde zwischen 1819 und 1826 errichtet und ist damit älter als die Autobahnbrücke. Bis dahin musste man per Fähre übersetzen oder einen Fussweg nutzen. Dieser führte allerdings nur bei Niedrigwasser durch das Watt.

Menai-Bridge
Die Menai-Bridge verbindet Nordwales mit der Insel Anglesey

Menai-Bridge
Infotafel an der Menai-Bridge

Gebaut wurde die 'Menai-Bridge' übrigens, da der Handel zwischen dem Königreich Grossbritannien und Irland immer mehr zunahm und die Fährverbindung in das irländische Dublin über Holyhead erfolgte. Da waren dann schnelle Anbindungen gefragt.

Durch den Snowdonia Nationalpark

Obwohl es mittlerweile bereits früher Abend ist, fahren wir nicht auf dem direkten Weg zu unserer Unterkunft, sondern schlagen einen Bogen durch den Snowdonia Nationalpark. Und werden dafür mit engen Strassen, vielen Kurven und Hügeln belohnt. Und mit Aussichten, die uns immer wieder anhalten und ein Foto machen lassen.

Snowdonia Nationalpark
Grün, grüner, Snowdonia Nationalpark

Irland wird ja gerne 'die grüne Insel' genannt. Aber ich finde, Wales steht dem in nichts nach.

Schliesslich wird es Zeit, Richtung unseres 'Basecamp Wales' zu fahren. Zuvor machen wir noch einen Stopp im Supermarkt von Llanllyfni. Zuletzt hatten die Wolken wieder zugenommen und als wir auf unsere Maschinen in den Ort rollen, fängt es an zu regnen. Obwohl wir uns beeilen und es von hier aus nicht weit zu unserer Unterkunft ist, werden wir doch ziemlich nass. Zurück im 'Basecamp' erkennt Tim direkt unser Dilemma und zeigt uns den Heizungsraum, in dem es schön warm ist und wo wir unsere Sachen zum Trocknen aufhängen können. Echt Klasse.

Frisch geduscht und mit trockenen Outfit stehen wir bald darauf in der Selbstversorgerküche und machen uns etwas zu essen. Anschliessend sieht die Welt draussen auch schon wieder viel schöner aus. Die Wolken haben sich anscheinend ausgeregnet, zumindest sind sie verschwunden und haben einen wolkenlosen Himmel hinterlassen. Das lässt für Morgen hoffen.

Basecamp Wales in Llanllyfni
Abendlicher Blick vom Balkon unserer Unterkunft im "Basecamp Wales




 Tag 6 

Ich weiss nicht warum, aber ich bin sehr früh wach an diesem Morgen. Bereits um halb sieben sitze ich mit einem Becher Tee in der Hand vor dem Eingang unserer Unterkunft auf einen Stuhl und lasse mir die Morgensonne ins Gesicht scheinen. Ein herrlicher Tag kündigt sich an und ich geniesse die morgendliche Ruhe und die bereits jetzt schon angenehmen Temperaturen.

Basecamp Wales in Llanllyfni
Morgenstund hat ... Sonne im Gesicht :o)

Ich hätte nichts dagegen, noch eine oder zwei weitere Nächte hier zu bleiben und den Snowdonia-Nationalpark weiter zu erkunden. Leider haben wir dasselbe Problem, das wohl alle Reisenden haben: Uns sitzt die Zeit im Nacken. Die Fähre für die Rückfahrt auf das europäische Festland ist gebucht und für uns alternativlos. Das lässt sich nun mal nicht ändern.

Abschied vom 'Basecamp Wales'

Rund drei Stunden später haben wir dann gefrühstückt, unsere Sachen gepackt, das Gepäck an den Motorrädern verstaut und stehen abreisefertig neben unseren Maschinen. Ich habe Tim meinen Fotoapparat in die Hand gedrückt, damit er ein Foto von uns macht. Auch für ihn waren wir etwas Besonderes: Wir waren seine ersten Gäste, die auf dem Boden geschlafen haben, wie er uns lachend versichert. Dann bleiben wir wohl bei ihm noch für einige Zeit in (hoffentlich guter) Erinnerung.

Basecamp Wales in Llanllyfni
Time to say goodbye ... Abschiedsfoto am "Basecamp Wales"

In den nächsten zwei Stunden fahren wir quer durch den Nationalpark. Offene Landschaften wechseln sich mit Waldreichen Abschnitten ab und wir machen mehr als einen Fotostopp. Auch jetzt bedauere ich, dass wir nicht noch ein wenig länger hier bleiben können. Die Strassen sind in einem guten Zustand, es gibt Kurven und Hügel, es herrscht wenig Verkehr und das schöne Wetter trägt natürlich auch zu unserer guten Laune bei.

Snowdonia-Nationalpark
Fahrt durch den Snowdonia-Nationalpark

Snowdonia-Nationalpark
Fahrt durch den Snowdonia-Nationalpark

Snowdonia-Nationalpark
Fahrt durch den Snowdonia-Nationalpark

Stromschnellen am Wegesrand

Es ist früher Mittag, als wir aus dem Augenwinkel in der Nähe des Ortes Bala etwas abseits der Strasse ein Haus sehen, das wie eine Mischung aus Cafe und Motel wirkt. Kurz entschlossen setzt der vorne fahrende Markus den Blinker, wir biegen ab auf die Zufahrt des Hauses und stehen dann vor dem 'White Water Centre'. Was wir von der Strasse aus nicht sehen konnten, ist der Fluss Tryweryn, der direkt hinter dem Haus verläuft. Und der Tryweryn ist nicht nur irgendein Fluss, sondern er wird durch eine Dammfreisetzung entgegen der Flussrichtung weiter oben zu einem richtigen Wildwasser mit Stromschnellen. Das Wasser saust hier vorbei und wer möchte, kann sich direkt am Wasser auf eine schöne Terrasse setzen und den Anblick geniessen. Aber diese Stromschnellen sehen nicht nur optisch gut aus, sondern werden hier auch zu verschiedene Arten von Wassersport genutzt, zum Beispiel zum Rafting. Es können Touren gebucht werden und egal ob Anfänger oder Profi, hier soll jeder auf seine Kosten kommen.

White Water Centre
Im "White Water Centre"

White Water Centre
Im "White Water Centre"

Wir nutzen diesen schönen Ort und machen eine kleine Pause. Die Leute hier sind alles recht entspannt, egal ob Kleinkind oder Rentner. Leider kommt in der Zeit, in der wir hier sitzen, kein Boot vorbei. Aber auch so ist es richtig schöne hier, es macht Spass, auf das wilde Wasser zu schauen.

Während unserer Pause nimmt leider die Bewölkung zu. Wir bemerken das erst, als wir uns auf unsere Maschinen setzen und weiterfahren. Aus dem blauen Himmel wird mehr und mehr ein grauer Himmel. An der schönen Landschaft ändert das nichts, mehr als einmal bleiben wir stehen, um ein Foto zu machen. Die Strassen sind oftmals sehr schmal, wir drücken uns an den Strassenrand, wenn einer von uns mal wieder die Kamera zückt.

Walisische Landschaft
Unterwegs in Wales

Walisische Landschaft
Unterwegs in Wales

Unterwegs in Wales
Unterwegs in Wales

Powis Castle

Ungefähr 2,5 Stunden und einige Kilometer später biegen wir in der Nähe von 'Welshpool' ab auf die Zufahrt von 'Castle Powis'. Auf dem riesigen Parkplatz stehen wirklich Unmengen von Autos. Jede Menge Menschen sind unterwegs, entweder hin zur Burg oder von dort zurück zu ihren Fahrzeugen. Entspannt ist anders. Als wir dann, wie immer die 'offiziellen' Parkplätze ignorierend, weiterfahren und unsere Motorräder in unmittelbarer Nähe der Burg abstellen, beginnt es zu regnen. 'Shit happend', würde der Waliser wohl dazu sagen. Wir wollen den Regen bei einer Besichtigung des Schlosses überbrücken, aber der Eintrittspreis ist uns dann doch zu hoch. Stattdessen stellen wir uns in dem Burgtor unter, das in den dicken Mauern eingelassen ist. Zufällig steht hier auch ein Eiswagen, was wir natürlich direkt ausnutzen. Wir sind nicht die einzigen, die das so machen und in dem schmalen Durchgang wird es immer voller. Zum Glück lässt der Regen bald nach. Wir machen einige Fotos, sitzen wir wieder auf und fahren weiter.

Powis Castle
Powis Castle

Powis Castle
Powis Castle

Unser heutiges Ziel ist der 'Brecon Beacons Nationalpark', zumindest den Norden davon wollen wir heute erreichen. Die Strassen, die wir fahren, sind teilweise extrem schmal. Und auch tückisch. An einer Stelle geht es stark bergab und unten wartet dann eine enge, scharfe Rechtskurve. Hinzu kommt, dass hier der Strassenbeleg noch glitschig ist vom Regen und mitten auf dem Weg auch noch dunkle Matsche liegt. Markus, der vorweg fährt, kann seine Maschine noch dort hindurch manövrieren, aber ich habe wohl einen Augenblick nicht aufgepasst. In der Kurve rutscht mir die Versys weg. Fast in Zeitlupe legt sie sich auf die Seite, zum Glück fast im Schritttempo. Daran, die Maschine zu halten, brauche ich gar nicht zu denken. Schwupps, liegt sie auf den Boden und ich stehe breitbeinig darüber. Johannes und Markus sind sofort da und gemeinsam richten wir sie problemlos wieder auf. Schäden sind keine zu erkennen, sie ist ja auch weich auf das Gebüsch am Strassenrand gefallen. Kurz schiesst mir der idiotische Gedanke durch den Kopf, dass wir dieses Malheur nicht fotografiert haben. Aber auch für das schönste Foto lege ich die Versys nicht wieder hin :o)

Eine Unterkunft in Brecon

Am frühen Abend erreichen wir schliesslich die YHA Brecon Beacons, die recht abgelegen ausserhalb des Ortes Brecon am nördlichen Rand des Brecon Beacons Nationalpark liegt. Besonders gut gefällt mir das Haus nicht und dass dort keine Betten mehr für uns frei sind, kann ich problemlos akzeptieren. Aber die Arroganz des Mitarbeiters am Empfang stösst mir doch ziemlich sauer auf. Der junge Mann hält sich offensichtlich für etwas ganz besonderes. Die Sonne, die sich mittlerweile wieder durch die Wolken gekämpft hat, bringt meine Laune aber recht schnell wieder zurück nach oben. Wir fahren in die Innenstadt von Brecon und haben gleich beim ersten B&B, an dem wir anhalten, Erfolg. Hier im "Borderers Guest House" ist Platz für uns. Die Motorräder finden im abgeschlossenen Innenraum Platz und werden zudem noch von zwei scharfen Wachhunden bewacht.

Borderers Guest House in Brecon
Das Borderers Guest House in Brecon

Borderers Guest House in Brecon
Gut bewacht: Unsere Motorräder

Na gut, Wachhunde sind es nicht wirklich. Eher Spielhunde. Aber auf dem ersten Blick erkennt man das ja nicht unbedingt ;-)

Nachdem wir unsere Sachen auf den Zimmern verstaut und uns 'ausgehfein' gemacht haben, machen wir uns auf Richtung Innenstadt. Von unserer Unterkunft aus ist das nicht weit. Bereits nach wenigen Metern werden wir von einem Mann in ungefähr unserem Alter angesprochen. Ob wir etwas suchen würden, er uns helfen könne, möchte er wissen. Wir antworten, dass wir ein nettes Lokal suchen, in dem wir essen und ein Feierabendbierchen geniessen können. 'Follow me' sagt der Mann und schon geht es los, er vorweg und wir neben bzw. hinter ihm her. Zwischendurch fragt er uns, woher wir kommen und als wir das übliche 'Dortmund' sagen, sind wir schon mitten in einem Gespräch über Fussball verwickelt. Selbst hier in Wales scheint Jürgen Klopp, der ehemalige Dortmunder Fussballlehrer, der nun in Liverpool tätig ist, recht beliebt zu sein. Nebenbei folgen wir der Hauptstrasse, biegen zweimal ab und stehen dann vor dem 'The George Weatherspoons', einem Hotel mit Restaurant und Pub. Hier verabschiedet sich unser 'Cityguide' von uns und geht nach Hause. Wir hingegen setzen uns in den sonnigen Wintergarten des Pubs, bekommen ein schmackhaftes Essen serviert und lassen den Tag mit einem nicht minder leckeren Bier ausklingen.

Diesmal war der Tipp von einem "local" genau richtig ;-)


 Tag 7 

Beim Frühstück fragen wir unsere Vermieterin, ob wir bei ihr noch eine Nacht verlängern können. Hier hat es uns wirklich gut gefallen und von hier aus könnten wir eine schöne Rundtour machen. Aber leider hat sie nichts mehr frei.

Eine Viertelstunde später steht sie freudestrahlend wieder bei uns am Frühstückstisch. Sie hat sich umgehört und eine Unterkunft für uns gefunden. Hier in Brecon, wir können sogar sofort hinfahren und die Zimmer beziehen. Das nenne ich mal einen tollen Service. Kurz telefoniere ich mit dem Vermieter, der nicht nur einen sympathischen Eindruckt macht, sondern für die Zimmer auch noch einen recht günstigen Preis nennt. Wir verabreden, dass wir in ungefähr eine Stunde bei ihm sind. Denn auch, wenn wir uns freuen, dass wir schon eine Unterkunft für die nächste Nacht haben, so wollen wir doch in aller Ruhe zu Ende frühstücken ;-)

Gut eine Stunde später stehen wir dann vor dem 'Old Castle Farm Guest House'. Mit dem Vermieterehepaar verstehen wir uns sofort. Wir bringen alles, was wir heute tagsüber nicht benötigen, auf die Zimmer, dann starten wir die Motorräder und fahren Richtung Norden.

Old Castle Farm Guest House
Das "Old Castle Farm Guest House" in Brecon

Das 'Woodstock des Geistes': Hay-on-Wye

Wirklich weit haben wir es nicht. 'Hay-on-Wye' ist unser Ziel, das erste und bis heute grösste so genannte Bücherdorf. Rund dreissig Kilometer sind es bis dahin. Bereits einige Kilometer davor sehen wir Park&Ride-Möglichkeiten, an denen man sein Fahrzeug abstellen und sich von einem Pendelbus in den Ort bringen lassen kann. 'Hay', wie es die Einheimischen kurz und knapp nennen, ist nämlich gnadenlos voll, denn hier findet zurzeit das jährlich 'Hay Festival of Literature & Art' statt, das Literaturfestival. Wir machen es wie immer, ignorieren die Parkplätze und fahren mitten hinein in die völlig überfüllte Stadt. Dort haben wir dann tatsächlich Mühe, Parkplätze für unsere Maschinen zu bekommen. Erst nach einigen Suchen werden wir fündig und können dann entspannt durch die Stadt schlendern.

Hay-on-Wye
Hay-on-Wye

Hay-on-Wye
Hay-on-Wye

Hier gibt es Vorlesungen, Geschichtenerzähler, Live-Musik und natürlich jeder Menge Bücher. über 40 Häuser sind es, die über und über mit den verschiedensten Büchern vollgestopft sind. Ich persönlich finde die Preise für die gebrauchten Bände nicht gerade günstig. Aber die Auswahl ist schon gigantisch. Bill Clinton, der ehemalige US-Präsident, nannte dieses Festival übrigens das 'Woodstock des Geistes'. Ein schöner Vergleich, wie ich finde.

Und natürlich kaufe ich mir auch ein Buch. Ich hätte gerne einen englischen Reiseführer über das Ruhrgebiet oder das Münsterland mit nach Hause genommen, denn aus der Gegend komme ich ja. Aber leider finde ich so etwas nicht. Also kommt ein Buch über das Rheinland in mein Gepäck. Das ist nicht so weit von mir entfernt und ausserdem bin ich des öfteren dort, denn ich habe da Bekannte.

Hay-on-Wye
Auf dem Literaturfestival in Hay-on-Wye

Hay-on-Wye
Auf dem Literaturfestival in Hay-on-Wye

Hay-on-Wye
Auf dem Literaturfestival in Hay-on-Wye

Hay-on-Wye
Auf dem Literaturfestival in Hay-on-Wye

Gerne wäre ich noch ein wenig hier geblieben und hätte durch die Bücherregale gestöbert. Aber bis ich alle 40 Häuser mit Büchern durchforstet hätte, wäre nicht nur dieser Urlaub aufgebraucht. Und ausserdem lockt unser nächstes Ziel: Die Stadt Penderyn mit ihrer Whisky Destillerie.

Wir verlassen Hay-on-Wye wieder Richtung Süden. Allerdings nicht, ohne dass ich mir fest vornehme, noch einmal wieder zu kommen. Es muss ja nicht unbedingt während des Literaturfestival sein .

The Welsh Whisky Company

Wir fahren den gleichen Weg zurück, den wir am Morgen von Brecon nach 'Hay' genommen haben. Nur einen kleinen Zwangsstopp legen wir ein, als ein Schafsherde über die Strasse zu ihrer neuen Weide getrieben wird.

Schafswanderung
Schafe haben hier Vorfahrt

Durch den Ort Brecon fahren wir hindurch, dann führt uns der Weg quer durch den 'Brecon Beacons National Park'. Dieser wurde 1957 als letzter der drei walisischen Nationalparks gegründet und ist mit seinem rund 100 Meilen langen Wanderweg "Beacons Way" insbesondere bei Wanderern recht beliebt. Aber auch mit dem Motorrad kann man hier durchaus gut fahren, wie wir jetzt Fahrt feststellen. Auch wenn die Fahrt momentan durch weite, offene Flächen führt und nicht , wie im 'Snowdonia' durch Wälder, über Hügel und durch enge Strassen.

Brecon Beacons National Park
Der Brecon Beacons National Park

Die knapp 60 Kilometer lange Fahrt macht aber Spass und wir bringen sie im zügigen Tempo hinter uns.

Die Whisky-Brennerei in Penderyn zu finde ist nicht schwer. Schon früh ist die 'Welsh Whisky Company' ausgeschildert Und so rollen wir auf den Parkplatz der Destillerie, die von aussen recht unscheinbar aussieht. Im Reiseführer haben wir gelesen, dass hier stündlich Führungen angeboten werden und wir hoffen, kurzfristig an einer teilnehmen zu können.

Welsh Whisky Company
Die Welsh Whisky Company in Penderyn

Und es klappt. Am Eingang bezahlen wir unseren Obolus und erhalten dafür je einen 'Tasting Token', der uns berechtigt, nach der Führung noch an einer Verköstigung teilzunehmen. Gemeinsam mit acht anderen Besuchern machen wir uns kurz darauf auf den Weg durch das innerer der Brennerei. Fotografieren ist hier verboten, aber wir haben sowieso genug damit zu tun, unseren Guide zu verstehen. Zum einem wird die Führung auf Englisch gemacht und das walisische Englisch wird sehr schnell gesprochen. Zum anderen ist es hier innerhalb der Betriebsstätte recht laut. Wir sind froh, in Schottland bereits ähnliche Führungen mitgemacht zu haben, so dass wir bereits so ungefähr wissen, wie so ein Brennvorgang funktioniert. Auch wenn es dabei von Destillerie zu Destillerie Unterschiede gibt.

An der anschliessenden Verköstigung nehmen wir als Motorradfahrer dann allerdings nicht teil. Eigentlich schade, denn hier wird der Whisky recht grosszügig ausgeschenkt, die verschiedenen Sorten können wirklich ausgiebig getestet werden. Wir bekommen dafür aber als 'Ersatz' je eine kleine Probierflasche mit auf dem Weg, so dass wir am Abend unser eigenes Tasting veranstalten können.

Welsh Whisky Company
Im Shop der Welsh Whisky Company

Welsh Whisky Company
Welsh Whisky Company

Welsh Whisky Company
Welsh Whisky Company

Wir verlassen die 'Welsh Whisky Company', nicht aber ohne vorher noch einen Abstecher in den Verkaufsraum gemacht zu haben. Und das eine oder andere 'Probierfläschchen' zu kaufen, dass dann anschliessend in unsere Tankrucksäcke wandert :o)

Es ist zwar mittlerweile bereits später Nachmittag, aber das Wetter ist einfach zu schön, als dass wir das nicht ausnutzen wollen. Daher drehen wir noch eine ausgiebige Runde durch den 'Brecon Beacons National Park'. Und stehen dabei gleich vor einer Herausforderung. Hier ist ein grosses Gebiet abgesperrt, in dem die Tiere frei herumlaufen können. Und genau durch dieses Gebiet läuft eine schöne Strasse, die eigentlich zum entspannten Fahren einladen würde. Aber die Schafe, Pferde, Kühe und Bullen, die wir sehen und die direkt neben und auch auf der Strasse frei herumlaufen, lassen das nicht zu. Stattdessen ist höchste Konzentration angesagt, wer weiss, ob eines dieser lieben Tierchen nicht plötzlich seine Richtung ändert.

Brecon Beacons National Park
Tierische Begegnungen im Brecon Beacons National Park

Nachdem wir dieses 'Freigehege' verlassen haben, folgen wir kleinen und meist recht engen Strassen, die uns an verschiedenen Wasserreservoiren verbeiführen und die richtig Laune machen. So viel Laune, dass wir überhaupt nicht auf die Idee kommen, für ein Foto anzuhalten. Nach etwas über einer Stunde lang Kurvenräubern stehen wir dann unvermittelt am Ortseingang von Breacon. Das war eine schöne Runde, die wirklich Spass gemacht hat.

Nachdem wir uns in unserm Guesthouse Stadtfein gemacht haben, machen wir uns zu Fuss auf Richtung Innenstadt. Im Biergarten des direkt am Ufer des Flusses Usk gelegenen 'Watergate Fish Bar & Cafe' legen wir einen kleinen Zwischenstopp ein und lassen dann anschliessend den Tag wie gestern im 'The George Weatherspoons' mit einem leckeren Essen ausklingen.


 Heimreise 

Heute ist es unser letztes Frühstück in hier Wales. Zum Abschied bekommen wir noch einmal ein 'full Welsh breakfast'. Dazu wie immer jede Menge Toast und Marmelade.

Anschliessend packen wir unsere Sachen und verstauen sie an den Maschinen. Hierin sind wir nun beinahe schon Profis. Dann starten wir gen Heimat.

Wir fahren auf kleinen Strassen Richtung Osten. Das Wetter ist gut und da wir jede Menge Zeit haben nutzen wir das und meiden nicht nur die Autobahnen, sondern auch grössere Landstrassen. So tasten wir uns langsam vor, bis wir am frühen Nachmittag 'Stratford-upon-Avon' erreichen, den Geburtsort von William Shakespeare. Unsere Idee, hier zu übernachten und uns Shakespeare Geburtshaus anzusehen, scheitert daran, dass wir keine Unterkunft finden. Die bekommen wir dafür einige Kilometer weiter in einem Ort namens 'Warwick', von dem ich noch nie vorher etwas gehört habe, das sich aber als recht nette und ansehnliche Kleinstadt entpuppt.

Es ist wohl etwas dran an dem Spruch 'Reisen bildet' :o)

Warwick
Das Städtchen Warwick in England

Warwick
Das Städtchen Warwick in England

Am nächsten Morgen sind wir dann ganz entspannt unterwegs auf den letzten Kilometern Richtung Harwich. Von dort aus wird am späten Abend unser Fähre nach Hoek van Holland in den Niederlanden starten. Gegen Mittag machen wir in 'Mistley' eine ausgiebige Pause. Die Nordsee ragt hier wie ein Fjord in das Landesinnere hinein und wir sitzen am Ufer und beobachten, wie der Wasserspiegel langsam steigt und das vor uns liegende Watt überflutet wird. Unser letztes englisches Geld investieren wir zunächst an einem mobilen Imbisswagen, der Rest geht dann für Softeis über den Tresen. Dabei geniessen wir die Sonne, die uns zum Abschied noch einmal richtig verwöhnt.

Mistley
Mistley: Warten auf die Flut

Mistley
Hat auf ihrer ersten "grossen" Tour ohne Probleme durchgehalten: Meine Versys

Von Mistley aus ist es nur ein Katzensprung bis zum Fähranleger in Harwich. Dort sind auch schon andere Urlauber und gemeinsam warten wir, dass wir auf die Fähre dürfen. Es folgen das einchecken und beziehen der Kabine. Mittlerweile haben wir durch unsere Motorradtouren in den letzten Jahren durchaus eine gewisse Routine darin.

Später am Abend stehen wir dann an Deck unserer Fähre, die um Mitternacht ablegen wird. Es ist bereits dunkel, die Hafenlichter leuchten zu uns herüber und immer neue LKWs verschwinden im Minutentakt im Bauch des Schiffes. Wir lassen unsere Tage in Wales Revue passieren und sind uns einig, dass es uns Spass gemacht hat, dieses Land zu besuchen.

Abend an Deck der Fähre
Abend an Deck der Fähre

Wir kommen noch mit einigen anderen Motorradfahrern ins Gespräch. Sie waren in Irland und schwärmen von dem Grün der Landschaft und den netten Menschen dort. Als wir sagen, dass wir in Wales waren, schauen sie uns erstaunt an.
'Wales? Was gibt es denn in Wales?' fragen sie und fast klingt es ein wenig abfällig.
'Wenn ihr wüsstet' denke ich bei mir, schaue hinaus auf das dunkle Meer und denke zurück an Burgen und Klöster, Brücken und Sagen, Küsten mit schönen Sonnenuntergängen und einsamen Leuchttürmen, an Nationalparks und Whiskybrennereien. Und an Menschen, die sich wirklich darüber freuten, dass wir ihr kleines Land besuchen.

'Good by Wales' sage ich in Gedanken zu mir selbst. 'Hope to see you again.'





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Wer schreibt hier?

  1. Detlev, Jahrgang '61
  2. Motorradfahrer - Wanderer - Radfahrer
  3. Hobbyfotograf
  4. Unterwegs immer mit Kamera, Block und Stift "bewaffnet"
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Vor einigen Jahren habe ich begonnen, mir auf meinen Touren Notizen zu machen, mal mehr und mal weniger ausführlich. Diese "TourNotizen" kannst Du Dir auf den Seiten Deutschland und Europa ansehen.

Viel Spaß dabei!


Warum eigentlich grüßen sich Motorradfahrer?

Irgendwann habe ich mir genau diese Frage gestellt und mich im Bekanntenkreis und auf den Motorradtreffs umgehört. Überraschenderweise konnte mir niemand so wirklich eine Erklärung dafür geben.



Hier der Versuch einer Antwort.




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