Motorradtour zu den Lofoten
Wer die Idee eigentlich hatte, weiß ich nicht mehr. Aber plötzlich war sie da: Mit dem Motorrad nach Norwegen. Erst war eine Woche geplant, aber nein, da lohnt sich die Fähre ja gar nicht. So wurden es zehn Tage, schließlich zwei Wochen. Und plötzlich stand es fest: 2007 würden wir für 14 Tage noch Norwegen fahren, irgendwann im Mai oder Juni. Das war im Herbst 2005. Danach war fast ein Jahr lang Ruhe über dieses Thema, bevor Ende 2006 die Planungen anliefen. Ein Termin wurde gesucht und gefunden, die Fähre gebucht. Jetzt gab es kein zurück mehr. Karten wurden studiert, Infos über das Land zusammengesucht, und nach und nach entstand eine Reiseroute: Wir wollten mit der Fähre von Kiel nach Göteborg (Schweden) fahren, danach auf geraden Weg Richtung Norden zu den Lofoten. Dann in Norwegen die Küstenstrasse herunterfahren, und uns schließlich in Südnorwegen noch ein paar Fjorde ansehen. Immer vorausgesetzt, das Wetter passt in unsere Planung. Ansonsten würden wir kurzfristig umdisponieren.
Der Monat davor:
Die Planungen laufen jetzt auf Hochtouren: Wer nimmt was mit? Nicht jeder muss ein Ladegerät für das Handy dabei haben, nicht alle müssen Taschenlampen mitnehmen usw. Eine Packliste erleichtert die Verteilung dieser Dinge. Zwischendurch immer wieder ein Blick in die Webcams: Wie ist das Wetter da oben? Schließlich fällt uns ein, dass wir an einem Sonntag in Schweden ankommen. Haben die Geschäfte dort auf? Sicherheitshalber nehmen wir auch ein paar Lebensmittel mit. Das Reisefieber steigt, die Ungeduld auch.
Der Tag davor:
Ich stehe mitten im Raum, um mich herum ein Berg von verschiedensten Dingen: T-Shirts stapeln sich neben Straßenkarten, Handtücher neben Werkzeug, und und und... Ich weiß nicht, zum wievieltem Male ich meine Packliste durchgehe, ob ich auch nichts vergessen habe. Schließlich beginne ich mit der Aufteilung auf die einzelnen Gepacktaschen: Dies kommt in das Topcase, das in die Gepäckrolle, und jenes in den Tankrucksack. Schwitzend und fluchen packe ich öfters um, so lange, bis ich alles einigermaßen sinnvoll verstaut habe. Dann schleppe ich das Gepäck in die Garage, und stelle es neben mein Motorrad. Beladen werde ich es erst morgen früh, für heute bin ich geschafft. Zurück im Haus klingelt das Telefon: Johannes ist dran, und fragt, ob ich alles unterbringen konnte, oder ob er noch etwas übernehmen soll. Mit seinen zwei riesigen Paktaschen verfügt er genau wie der dritte in unserem Bunde, Markus, über wesentlich mehr Platz als ich. Aber ich habe alles bei mir
Um zehn Uhr wollen wir uns treffen. Eine halbe Stunde vorher bin ich dabei, mein Motorrad zu beladen, da sehe ich, wie Markus fertig aufgerüstet an mir vorbei Richtung Johannes fährt. Geht meine Uhr falsch? Nein, Markus hat es nur nicht mehr abwarten können. Ihm juckt es in der Gashand, er will endlich los. Ich gebe zu, mir geht es nicht anders. Darum beeile ich mich, damit ich auch reisefertig werde und fahre die paar Meter weiter zum Treffpunkt. Meine Kinder kommen zu Fuß mit, Nina hat den Fotoapparat, will Fotos machen. Nils guckt ein bisschen traurig, auch ich habe einen kleinen Kloß im Hals: Zwei Wochen ohne Frau und Kinder, das ist schon komisch. Meine Frau hat heute Frühdienst, der Abschied war dem entsprechend kurz. Sie freut sich riesig für mich, dass ich diese Tour machen kann, das weiß ich. Jetzt sind wir auch schon abfahrbereit. Nina kommt, und drückt mich. "Tschüß Papa, mach es gut". Auch Nils nimmt mich noch mal in den Arm. "Komm gesund wieder" sagt er leise. Ich muss kräftig schlucken.
Abfahrt
Die ersten Meter dienen dazu, sich an die schwer beladenen Tenere zu gewöhnen. Wir fahren zunächst auf der Landstrasse, dann auf der Autobahn Richtung Norden. Unsere Fähre geht von Kiel nach Göteborg, ab 17:00 können wir an Bord, und wir wollen früh da sein. Den ganzen Tag über ist der Himmel grau und Wolkenverhangen. Es sieht aus, als würde es jeden Augenblick anfangen zu regnen. Aber wir haben Glück, es bleibt trocken.
Unterwegs legen wir regelmäßig eine Pause ein. Einmal sehen wir dabei eine große Gruppe von Harley-Fahrern mit schwedischem Kennzeichen. Erst jetzt fällt uns auf, dass auch viele Einzelfahrer bzw. kleinere Gruppen mit Harleys unterwegs sind. Irgendwo muss ein Treffen gewesen sein, und jetzt sind alle auf dem Weg nach Hause.
Es ist zwar Pfingstsamstag, aber wir kommen ohne Stau gut voran. Auch der Elbtunnel ist fast frei, nur kurz davor eine viertel Stunde "stop & go", damit können wir leben. Pünktlich um kurz vor 17:00 Uhr erreichen wir schließlich den Fähranleger in Kiel. Markus schafft es gerade noch, die reservierten Tickets abzuholen, da werden wir auch schon auf das Schiff gewunken. Dort treffen wir auch die ganzen Harley-Fahrer von unterwegs wieder. Wir schnüren die Maschinen gut fest, nehmen unser Gepäck, und dann geht es ab auf die Kabine. Obwohl das Wort "Kabine" sicherlich übertrieben ist.
Unsere Kabine auf der Fähre
Zufrieden schlafe ich gegen 23:00 Uhr ein. Zweimal werde ich nachts wach, lausche kurz dem gleichmäßigen Blubbern der Schiffsmotoren, dann schlafe ich gleich wieder ein.
Die Stimme aus dem Bordradio erzählt uns in mehreren Sprachen, wann wir Göteborg voraussichtlich erreichen werden und - noch viel wichtiger für uns - wann der Speisesaal geöffnet wird. Wir haben nämlich Hunger! Mit als erste stehen wir dann am Eingang, als das Frühstücksbuffet geöffnet wird. Wir nehmen uns einen Fensterplatz, und los geht's. Wir haben heute einen langen Tag vor uns, da wollen wir gestärkt sein. Fast eineinhalb Stunden lang genießen wir das wirklich üppige Frühstück hier an Bord, dann geht es hinauf an Deck. Die Hafeneinfahrt von Göteborg soll sehr schön sein. Auch das Wetter spielt mit. Es ist zwar noch etwas frisch, aber der Himmel ist blau, und die Sonne tut ihr bestes, um uns zu erwärmen. Hier holt Markus zum ersten Mal das Ministativ für seine Digitalkamera hervor. Ein kleines Teil, das sich in Verbindung mit dem Selbstauslöser noch oft als sehr nützlich erweisen wird.
Gruppenfoto an Deck
Kurz nachdem wir die Innenstadt Göteborgs verlassen haben, halten wir an, prüfen noch einmal, ob alles ordentlich verschnürt ist, dann geben wir Gas. Die [40] fahren wir immer geradeaus, und was auf der Karte langweilig und öde aussieht, wird, je mehr wir nach Norden kommen, immer abwechslungsreicher. Nach gut einer Stunde Fahrt machen wir die erste Rast. Ein wenig recken und strecken, die Beine vertreten. Wir sind schließlich im Urlaub und nicht auf der Flucht. Eine große Schwedenkarte steht da, und wir fahren mit den Fingern den Weg ab, den wir noch vor uns haben. Dann heißt es "aufsteigen" und weiter geht's. Die Strasse führt uns auch am Vänernsee entlang, den größten See Schwedens. Je weiter wir nach Norden kommen, desto karger wird die Vegetation. Immerhin ist es noch grün. Wir bleiben auf der [40], und machen ungefähr im Stunden-Rhythmus jeweils eine kurze Pause.
Pause auf dem Weg nach Norden
"Family Frank Fischer with wife and 5 children from Oberhain in German Democratic Republik, 11./12. August 2005."
Wie bitte? German Democratic Republik? Und das im Jahr 2005? Waren das einfach nur schlechte Englischkenntnisse oder trauert da jemand der guten alten Zeit nach? Na egal, ich bin nur froh, das wir hier nicht mit sieben Leuten hausen wie "Frank and his family", schließlich gibt es hier nur vier Betten. Viel mehr Sorgen macht mir dagegen der Hinweis unseres Vermieters, dass es morgen Regen geben soll. Das muss doch nicht sein, oder? Als wir dann aber so gegen elf Uhr im Bett liegen, schlafe ich trotz dieser Vorhersage tief und fest.
Übernachtung in der Nähe von Orsa
Markus hat den Wecker auf 6:30 Uhr gestellt, und etwas verwundert reibe ich mir die Augen. Habe ich nicht Urlaub? Aber dann erinnere ich mich: Motorrad, Norwegen, Lofoten... Wir wollen heute wieder viel fahren, mindestens 500 Kilometer, da heißt es früh aufstehen. Draußen ist es grau, kalt und diesig. Es sieht so aus, als würde der Himmel jeden Moment seine Schleusen öffnen. Also hat unser Vermieter wahrscheinlich doch Recht mit seiner Wettervorhersage? Wir frühstücken, beladen dann die Maschinen, und los geht es weiter Richtung Norden. Immer noch fahren wir auf der [40]. Wir wollen ja zügig hoch zu den Lofoten kommen, und so "fressen" wir jetzt Kilometer um Kilometer, nur unterbrochen von den regelmäßigen Pausen. Zum Glück wird das Wetter immer besser, je weiter wir nach Norden kommen. Immer wieder halten wir an, um eine besonders schöne Aussicht zu bewundern. Die Vegetation wird jetzt immer sparsamer, die Bäume werden gerade noch bis 2,50 Meter hoch. Trotzdem ist alles noch grün, und wir haben viel Spaß beim fahren. Um genau 16:02 Uhr ist es dann soweit: Wir erreichen Lappland. Ein riesiges Schild heißt uns Willkommen. Aber Johannes, der gerade vorfährt, hört und sieht nichts, und rauscht einfach weiter. Dabei wäre das hier doch eine gute Gelegenheit für ein Erinnerungsfoto gewesen. Bei der nächsten Pause beschließen wir, dass derjenige, der ein Foto machen möchte, einfach anhält und fotografiert. Die anderen werden dann an geeigneter Stelle auf ihn warten. Schade, dass wir das nicht vorher besprochen hatten.
Schöne Aussichten
Auf "Kolgardens Campingplatz"
Auf "Kolgardens Campingplatz"
Auf "Kolgardens Campingplatz"
Ich werde wach, und die Sonne scheint! Klasse!!! Was folgt, ist das allmorgendliche Ritual, bestehend aus Frühstück, Sachen packen, Motorrad beladen und abfahren. Wir sind noch nicht weit gekommen, als plötzlich vor uns mitten auf der Strasse Rentiere stehen . Sofort halten wir an, um aus gebührender Entfernung Fotos zu machen. Da kommt ein PKW heran gefahren, doch die Tiere lassen sich nicht stören, der Fahrer fährt langsam mitten durch die kleine Herde durch. Ich beschließe, es dem Autofahrer gleich zu tun. In der linken Hand die Kamera, mit rechts vorsichtig Gas gebend und lenkend, fahre ich langsam auf die Tiere zu. Und was machen diese blöden Viecher? Sie laufen weg. Warum denn das? Beim Auto sind sie doch auch stehen geblieben. Enttäuscht mache ich ein letztes Foto von der fliehenden Meute.
Begegnung auf der Landstrasse
Je weiter wir nach Norden fahren, desto kälter wird es. Die Vegetation geht noch weiter zurück, und immer mehr Schnee liegt rechts und links der Strasse. Na klar, wir nähern uns dem Polarkreis. Schließlich ist es soweit: Ein Straßenschild führt uns von der [E6] auf einen großen Parkplatz. Direkt daneben steht ein Haus, in dem man nicht nur Informationen über diesen Ort bekommt, sondern auch jede Menge Souvenirs erwerben kann. Wir stellen unsere Motorräder ab, und sehen uns das aus der Nähe an. Eigentlich überwiegt der Kitsch, den es hier zu kaufen gibt. Aber wer will den Norwegern das verdenken? Es ist nicht besonders viel los hier, logisch, es ist gerade Mal Ende Mai, da hat die Saison noch gar nicht angefangen. Wir schlendern durch den fast leeren Laden, kaufen aber nichts, da es uns hier sehr teuer erscheint. Dann gehen wir wieder nach draußen. Dort ist ein kleiner Globus auf zwei Steinen errichtet. Das Ministativ von Markus kommt jetzt wieder zum Einsatz.
Zittern am Polarkreis
Wir verlassen diesen frostigen Ort und fahren weiter Richtung Norden. Mit zunehmender Entfernung zum Polarkreis nimmt auch der Schnee ab. Links und rechts der Strasse wird es wieder grün. In Norwegen ist 80 km/h erlaubt, hier oben teilweise auch 90 km/h. Wir haben so viele Geschichten gehört über die Strafen, die hier bei Geschwindigkeitsüberschreitungen verhängt werden, dass wir im Vorfeld der Tour beschlossen hatten, uns an die Begrenzungen zu halten. So fahren wir gemütlich immer weiter gen Norden, nur unterbrochen von den regelmäßigen Pausen. In Engan bei Sommerset nehmen wir uns schließlich eine Hütte ( 400 Norwegische Kronen ). Sie ist eingerahmt von zum Teil noch schneebedeckten Bergen und mit einem schönen See direkt vor der Terrasse.
Übernachtung Nähe Sommerset
Auch wenn die Wettervorhersage richtig gut war, so geht am Morgen doch der erste Blick aus dem Fenster: Blauer Himmel, und die Sonne gibt auch schon ihr bestes. Super! Nach dem Frühstück werden die Sachen gepackt und die Motorräder beladen. Langsam bekomme ich Routine darin :-)
Wir fahren zunächst weiter auf der [E6]. Kurz nachdem wir losgefahren sind, durchqueren wir einen 4,5 Kilometer langen Tunnel. Eiskalt ist es darin, und es dauert eine Weile, bis wir uns danach wieder aufgewärmt haben. In Ulsvag biegen wir links ab Richtung Skutvik. Gegen 10:00 Uhr erreichen wir den Hafen, und wir scheinen Glück zu haben: Das Fährschiff legt gerade an.
Am Schiffsanleger in Skutvik
Überfahrt auf die Lofoten
Überfahrt auf die Lofoten
Brücke auf den Lofoten
Holzgestelle zum trocknen von Stockfisch
In Å, dem südlichste Ort auf den Lofoten
Um halb sechs heißt es Aufstehen, und eine Stunde später stehen wir bereits in Moskenes am Hafen. Um sieben Uhr geht das Schiff rüber nach Bodo. Es ist heute die einzige Möglichkeit, auf das Festland zu gelangen. Noch gilt hier der Winterfahrplan. Eigentlich wollten wir hier auf den Lofoten noch einen Tag verbringen, aber auch Morgen geht nur eine Fähre, und zwar um 14:00 Uhr. Das ist uns zu spät, schließlich müssen wir uns am Abend ja auch noch eine Unterkunft suchen. Außerdem weht auch heute ein äußerst starker Wind, der dem Motorradfahren doch sehr viel Spaß nimmt. So buchen wir also unsere Tickets für insgesamt 723 Kronen bereits heute. An Bord binden wir wieder unsere Maschinen fest, dann geht es rauf an Deck.
Der kleine Hafen von Moskenes
Vier Stunden dauert die Fahrt, dann laufen wir in Bodo ein. Diese Stadt wurde Ende des zweiten Weltkrieges von den zurückweichenden deutschen Truppen völlig zerstört, und musste anschließend komplett wieder neu aufgebaut werden. Als wir dort durch die Strassen rollen, spüre ich jedoch keinen Groll gegen uns deutsche. Wir entdecken einen Imbiss, und lassen uns dort die Pommes schmecken. Tages- und Nachtpreise gibt es hier, sicher ein origineller Einfall. Während wir so dastehen und essen, sind da plötzlich drei Motorradfahrer aus Norddeutschland. Es entsteht eines dieser üblichen Gespräche - woher, wohin, wie war das Wetter - und dabei stellt es sich heraus, das die drei die Küstenstrasse [17] hochgekommen sind, also genau die Strasse, die wir jetzt hinunter fahren wollen. Ihre Schilderung über Landschaften und Kurven macht uns richtig Freude auf diesen Weg.
Ankunft in Bodo
Polarkreisüberquerung auf dem Wasser
Diese [17] ist schon Klasse. Wir genießen gaaaanz viel Schräglage, und das, ohne die erlaubte Höchstgeschwindigkeit überhaupt überschreiten zu können. Jede Menge superschöne Ausblicke gibt es hier, am liebsten würde ich stundenlang eine Filmkamera mitlaufen lassen. Gegen Abend nehmen wir uns in Tonnes (Nähe Kilboghamn) eine einfache Hütte. 400 Kronen legen wir dafür auf den Tisch des Hauses. Auch hier sind wir mal wieder die einzigen Gäste. Insgesamt sind wir heute 221 Kilometer gefahren, nicht schlecht, wenn man bedenkt, das wir rund 5 ¼ Stunden auf den verschiedenen Fähren verbracht haben.
Übernachten am Fjord
Es ist schon toll: Du stehst morgens auf, und der Himmel ist blau. Die Sonne leuchtet, und die Temperaturen sind bereits so, dass Du im T-Shirt auf der Terrasse frühstücken kannst. Genau so war es heute mal wieder. Da macht sogar die allmorgendliche Prozedur des Sachenpackens Spaß.
Gegen Mittag tanken wir. Dort macht Markus uns auf ein Fahrschul-Motorrad aufmerksam. Der Fahrlehrer sitzt hinten auf dem Sozius, und die Haltegriffe dienen ihm als Gas und Bremse. Ganz schön mutig, diese norwegischen Fahrlehrer.
Von gelegentlichen Pausen unterbrochen, fahren wir immer weiter Richtung Süden. Vier Fähren benutzen wir heute insgesamt, so langsam aber sicher geht das ganz schön ins Geld. Immerhin bekommen wir auf einem der Schiffe "Pölser", diese roten Bockwürstchen. Echt lecker, finden zumindest wir drei.
Auf der Fähre
Der Verlauf der [17] ändert sich, je weiter wir nach Süden kommen. Oft führt sie von der Küste weg ins Landesinnere hinein, dort sind meist auch nur 60 Km/h erlaubt. Am späten Nachmittag, nach 265 gefahrenen Kilometern, nehmen wir uns in der Nähe von Svaberget, südlich von Holm, eine Hütte für 450 Kronen.
Unsere Hütte in Svaberget, südlich von Holm
Fast erschrocken blicke ich zum Himmel. Da sind ja einige Wolken. Zum Glück lösen sie sich im Laufe des Vormittags auf, und wir haben wieder Sonne satt.
Wir verlassen unser Blockhaus, und fahren weiter gen Süden. Die [17] scheint sich jetzt ganz von der Küste verabschiedet zu haben. Durch Wiesen und Felder fahren wir, nur hin und wieder ist mal ein See zu sehen. Dafür wimmelt es heute nur so von Motorradfahrern. Eigentlich könnte ich meine linke Hand zum Gruß gleich oben lassen. Schließlich dämmert es uns: Heute ist Samstag, und das tolle Wetter lockt natürlich auch viele Norweger zum fahren aus dem Haus.
Pause am Fluss
Apropos Geschwindigkeit: Seit den Lofoten hat Markus ein Problem mit seinem Motorrad: Morgens will es nicht anspringen, und bei jedem Halt muss er kämpfen, das es ihm nicht ausgeht. Außerdem verliert es öl. Kurz hatte Markus gestern überlegt, hier alles abzubrechen, und nach Hause zu fahren. Johannes und ich konnten ihn aber dazu überreden, noch einmal eine Nacht darüber zu schlafen. Heute sieht die Welt dann schon wieder anders aus. Wir beschließen, maximal 80 km/h zu fahren (was uns hier in Norwegen ja nicht schwer fällt). Da aus dem Auspuff von Markus' Maschine auch ein ziemlicher Gestank kommt, fährt er ab sofort hinten, und Johannes und ich wechseln uns mit dem Vorfahren ab. Obwohl sich der Zustand des Motorrads nicht bessert, hält Markus tapfer bis zum Schluss durch. Bei jedem Tankstop gießt er auch etwas Öl nach, und kommt so schließlich gut zu Hause an.
Schatten gesucht
In Oppdal biegen wir schließlich ab auf die [70]. Es ist schon spät, und wir müssen uns noch eine Hütte suchen. Nachdem wir zwei weniger schöne Exemplare ausgeschlagen haben, nimmt sich Johannes der Sache an. In Eigenregie bucht er etwas, was sicher vor 50 Jahren mal ganz nett war. Als Markus und ich eintreffen, beschließen wir spontan, dass er ab sofort keine Hütte mehr aussuchen darf :o)
Ach, wären wir gestern doch nur noch eine viertel Stunde weitergefahren. Im Fünf-Minuten-Takt taucht jetzt hier auf der [70] ein schöner Campingplatz nach dem anderen auf. Aber ich habe keine Zeit, mich zu ärgern: Straßenschilder zeigen ein Gefälle von 9 % an, und dieses bergab zieht sich immerhin fünf Kilometer lang hin. Viele Kurven sind dabei, und somit beansprucht die Strasse unsere volle Konzentration.
Das Wetter ist weiterhin Klasse. Unglaublich, aber wahr: Wir sind jetzt schon eine Woche lang hier oben, und haben noch keinen Tropfen Regen abbekommen. Besonders Markus ist hin und weg: Vor drei Jahren war er schon einmal hier, und da hat es oft geregnet. Jetzt freut er sich auf die Trollstiegen bei Sonnenschein, und schwärmt uns so viel davon vor, das Hannes und ich schon ganz gespannt darauf sind.
Warnung vor Trolle
Wir fahren durch ein grünes Tal, die Berge rechts und links kommen immer näher. In der Ferne erkenne ich einen Wasserfall. Johannes hält an, will ein Foto machen, aber Markus fährt weiter, ist jetzt gar nicht mehr zu bremsen. Kurze Zeit später stehen wir auf einem Parkplatz, am Fuß des Wasserfalls. Das Wasser, das den Berg hinabstürzt, rauscht hier mit viel Getöse als Fluss an uns vorbei. Ein Schild warnt vor Trolle, und vor uns ist ein Berg. Wir sind sozusagen in einer Sackgasse geraten, aber ich erkenne Serpentinen, die sich den Berg hinauf winden. Markus sagt nur ein Wort: Trollstiegen.
Am Fuß der Trollstiegen
Brücke am Trollstiegen
Die Trollstiegen von oben
Wir fahren weiter, den Berg jetzt auf der anderen Seite wieder hinab. Hier liegt noch sehr viel Schnee. Obwohl überall Parkverbot ist, stehen am Straßenrand jede Menge Autos. Die Skifahrer starten hier ihre Touren. Die Strasse ist sehr schmal, wenn sich hier die Busse begegnen, wird es knapp. Nur langsam kommen wir hinab in tiefere Regionen, und es wird wieder grün um uns herum. Das gefällt mir auch sowieso viel besser. In Gedanken bin ich noch bei den Trollstiegen, doch dann, ganz plötzlich, bremse ich mitten auf der Strasse ab, und blicke fasziniert in das vor mir liegende Tal: Ein wie es scheint riesiger See ist dort, mit drei Schiffen, die da ankern. Markus steht neben mir, und erklärt, dass das der Geirangerfjord ist. Wir rollen mit den Motorrädern zum Rand der Strasse, und machen wieder ein Bild nach dem anderen. Einfach Klasse, diese Aussicht von hier oben.
Blick auf den Geirangerfjord
Blick auf den Geirangerfjord
Wir setzen unsere Fahrt fort bis Skjak. "Dönfoss-Camping" heißt der Platz, an dem wir unser Glück mit einer Hütte versuchen. Hier sieht es ziemlich edel aus, und wir vermuten, dass es finanziell wohl unser Budget sprengen wird. Aber die freundliche Frau an der Rezeption vermietet uns eine ganz tolle Hütte für 400 Kronen. Wir sind begeistert. Alles wirkt neu, es ist sauber und aufgeräumt, und als wir noch ein wenig auf dem Platz umherlaufen, finden wir auch noch ein Freibad. Leider ist noch kein Wasser eingelassen, aber im Sommer lässt es sich hier wohl aushalten. Ein Fluss, der laut rauschend direkt am Platz vorbei fließt, gibt die Geräuschkulisse für den Abend. Nach langer Zeit haben wir mal wieder einen Fernseher, und das Satellitenbild verspricht weiterhin Sonne. Unglaublich! Ein Blick auf den Tacho zeigt 346 gefahrene Kilometer. Für mich war es der bisher spektakulärste Tag. Sowohl Trollstiegen als auch der Geirangerfjord haben mächtig Eindruck bei mir hinterlassen. Ich kann mir gut vorstellen, noch einmal hierher zurück zu kommen. Leider gibt es hier auf dem Campingplatz kein Bier zu kaufen, und so lassen wir den Tag wenigstens mit einem Eis ausklingen.
Hütte auf dem "Dönfoss-Campingplatz"
Als ich an diesem Morgen die Augen öffnete, überlegte ich kurz, wie es wohl wäre, heute den Tag hier zu verbringen. Einen Tag kein Motorrad zu fahren, die Füße im Fluss zu kühlen, im nahe gelegenen Ort essen zu gehen, kurz gesagt, die Seele baumeln zu lassen. Dann sehe ich, dass Markus bereits dabei ist, seine Tasche zu packen. Das Teewasser ist auch schon aufgesetzt, und selbst Johannes rollt schon seinen Schlafsack zusammen. So füge ich mich also meinem Schicksal...
Wir fahren die [15] weiter bis Lom. Dort steht eine kleine Stabskirche. Im 13. Jahrhundert wurde sie das erste Mal erwähnt, sie soll allerdings noch einiges älter sein. Gegen 9:30 Uhr sind wir dort. Optisch schön anzuschauen, offenbart sie aus der Nähe jedoch den Einfluss der modernen Zeit: Blitzableiter sind ebenso wie eine ganz normale Dachrinne angebracht, beides durch eine Holzverkleidung mehr oder weniger geschickt getarnt. Außerdem ist sie mit einem frischen Terranstrich überzogen. Wir umrunden die Kirche, die von einem Friedhof eingerahmt ist, und machen wieder viele Bilder.
Stabskirche in Lom
Wir verlassen die [15] und fahren stattdessen auf der [55] weiter Richtung Hella. Es geht wieder bergauf. Zwischen Galdesand und Skjolden liegt noch meterhoch Schnee. Außerdem sehen wir Lemminge. Diese den Hamstern ähnlichen Tiere sind entgegen der landläufigen Meinung überhaupt nicht lebensmüde, sondern flüchten, sobald wir uns ihnen nähern. Keines können wir auf ein Foto festhalten. Dafür machen wir jede Menge Bilder von dem hohen Schnee. Links und rechts der Strasse stehen lange Holzstäbe. So weiß der Fahrer der Schneefräse im Frühjahr, das er hier zwischen diesen Stäben den Asphalt findet, und räumt den Schnee beiseite. Ganz schön clever, diese Norweger, die haben sich schon etwas einfallen lassen.
Auch im Juni noch jede Menge Schnee
Blick auf den Gletscher Jostedal
Warten auf die Fähre
Der Morgen beginnt so schön, wie der Abend gestern aufgehört hat. Wir frühstücken mal wieder auf der Terrasse. Dabei überlegen wir, so weiter zu fahren, dass wir bereits am Donnerstagabend in Göteborg sind. Dort wollen wir uns ein Hotelzimmer nehmen, und uns am Freitag mal die Stadt ansehen. Und so sind wir eine knappe Stunde später wieder auf der [13] "on the road" Richtung Bruravik. Zunächst geht es steil bergauf, und es dauert keine halbe Stunde, bis wir wieder von Schnee umgeben sind. Jede Menge Autos stehen auch hier am Rande der Straße, deren Besitzer mit Skier unterwegs sind.
Jede Menge Schnee
Aussicht am Wegesrand
Der Himmel an diesen Morgen ist bedeckt, und irgendwie passt das auch zu unserer Stimmung: Heute sind wir den letzten Tag hier in Norwegen unterwegs, am Nachmittag werden wir bereits wieder in Schweden sein. Nach dem Frühstück beladen wir unsere Motorräder und fahren dann auf der [40] weiter in Richtung Kongsberg. Und genauso schnell, wie sich die Wolken auflösen und wir wieder mit einem blauen Himmel verwöhnt werden, verfliegt auch unsere trübe Stimmung. Wir genießen die Fahrt auf der teilweise recht kurvigen Strasse. Als wir durch einen Kreisverkehr fahren, meine ich, dass Klingeln meines Handys aus der Jackentasche zu hören. Und richtig: Mein Bruder ruft an und teilt uns mit, dass er im Internet nachgesehen hat und wir auch für den Rest der Tour super Wetter haben werden. Wenn das keine gute Nachricht ist.
Am Fjord
Auf der Fähre über den Oslofjord
Plötzlich ist da ein Schild, auf dem neben dem Zeichen für einen Campingplatz auch das für eine Hütte abgebildet ist. Kurz entschlossen verlassen wir die Autobahn, und fahren dem Schild nach. Doch bevor wir auf dem Campingplatz ankommen, entdecke ich den Hinweis auf eine private Hütte. Sofort folgen wir dem Schild. In einem kleinen Wohngebiet, bestehend aus Einfamilienhäuser, halten wir schließlich an. Wir sind in Hällestrand in der Nähe von Strömstadt gelandet.
Richtung Stuga ;-)
Ach so, richtig, die Statistik fehlt ja noch: 258 Km sind wir heute gefahren, und haben uns somit das Tuborg ja wohl verdient!
Wie vorhergesagt (und auch innig gehofft) ist es heute wieder sonnig und warm. Das Frühstück schmeckt uns mal wieder auf der Terrasse, und bereits um zehn Uhr sind wir abfahrbereit. Dies ist heute unsere letzte Fahrt in Schweden. Gegen Mittag werden wir in Göteborg sein, und dort verbringen wir die restliche Zeit unseres Urlaubs, bis Morgen Abend gegen 19:00 Uhr die Fähre Richtung Heimat geht.
Wir machen es uns leicht, und fahren weiterhin auf der [E6]. Wir freuen uns auf Göteborg, auf ein kleines Hotel, ein wenig die Stadt ansehen, abends in nettes Lokal mit einem kühlem Bier...
In der Stadt angekommen, sieht die Welt dann allerdings ganz anders aus: Göteborg scheint eine einzige Baustelle zu sein. Trotz Navigation finden wir uns nicht zurecht. Umleitungen und Einbahnstrasse bestimmen neben Baufahrzeugen und Kränen das Bild. Besonders Markus kämpft mit seiner Maschine, geht sie ihm doch fast an jeder Ampel aus. Irgendwann lassen wir am Nachmittag genervt unsere Motorräder stehen. Markus bleibt bei den voll beladenen Maschinen, Johannes und ich machen uns zu Fuß auf die Suche nach einem Hotel. Schließlich finden wir ein Zimmer im Rico-Hotel. Zentral gelegen, nicht weit vom Schiffsanleger, bekommen wir, nicht zuletzt Dank Johannes' Verhandlungsgeschick, eine bezahlbare Unterkunft. Unsere Motorräder dürfen wir im Hinterhof parken. Schnell unter die Dusche, dann ab in die City.
Spaziergang durch Göteborg
Fast ist es schon zu heiß. Nach einem wirklich guten Frühstück im Rico-Hotel nehmen wir das Angebot der Rezeption dankend an, und legen unser Gepäck in einem Aufbewahrungsraum im Hotel ab. Auch unsere Motorräder dürfen im Hof stehen bleiben, und so laufen wir in Jeans und T-Shirt durch die Stadt.
Es müssen so etwas ähnliches wie Abi-Feten sein: Junge Leute haben sich Busse, Kutsche, Schiffe und alles Mögliche andere organisiert, und fahren laut singend und hupend durch die Stadt. überhaupt gibt es hier mehr junge als alte Menschen. Und unglaublich viele Kinderwagen sind zu sehen. Zumindest hier in Göteborg braucht sich Schweden wohl keine Sorgen um den Nach-wuchs zu machen.
Spaziergang durch Göteborg
Spaziergang durch Göteborg
An Deck der Stena-Line
Ausfahrt aus dem Hafen von Göteborg
Ausfahrt aus dem Hafen von Göteborg
Ankunft in Kiel
Rund um Hamburg ist in der Gegenrichtung ein Mega-Stau. In unserer Richtung ist zum Glück alles frei. Nach mehreren Pausen und einem weiteren Tankstop in Münster erreichen wir gegen 16:00 Uhr Ahsen. Zwei Wochen Skandinavien ohne einen Tropfen Regen - Was für ein Glück.
Eine gute Stunde später setzt im Dorf der Regen
Ich weiß nicht, wie oft ich mir die Bilder von der Tour mittlerweile schon angesehen habe. Gegenüber Verwandten, Freunden und Arbeitskollegen kenne ich eigentlich auch nur dieses eine Thema. Ich glaube, ich bin in dieser Hinsicht ein langweiliger Gesprächspartner.
Es wird Zeit, dass ich wieder nach vorne blicke!
Johannes, Markus und ich haben mal vorsichtig in die Zukunft geschaut. Und wollen in zwei Jahren wieder los. Wir wollen Schweden und Finnland "erfahren", am besten auch zwei Wochen lang. Eine halbe Ostseeumrundung sozusagen. Unsere Frauen haben angesichts unserer Begeisterung bereits resigniert und ihre Zustimmung signalisiert.
Und was ist mit nächstem Jahr? Nun, Markus ist zu Hause kräftig am renovieren, und hat sich für eine Tour ausgeklinkt. Johannes möchte unbedingt die deutsch-polnische Grenze abfahren, eine Strecke, die mich nicht sonderlich interessiert. Ich plane daher, alleine los zu fahren. Ich habe noch keine Ahnung, wohin es mich verschlagen wird. Vielleicht schließe ich mich ja auch doch noch einer anderen Gruppe an. Mal sehen.
Aber eins steht für mich fest: In Norwegen war ich nicht zum letzten Mal. Es hat mir viel zu gut dort gefallen, als da ich nicht wiederkommen würde. Außerdem ist dort noch so viel zu entdecken, gibt es noch so viele schöne Orte, an denen ich diesmal nicht war. So zum Beispiel Dalsnibbe, einem Aussichtspunkt am Geirangerfjord. Oder der Preikestolen am Lysefjord bei Stavanger, der als eines der Wahrzeichen von Norwegen gilt. Nicht zu vergessen die Küstenstraße zwischen Kristiansund und Ålesund, die eine der schönsten Strecken Skandinaviens sein soll.
Und ... und ... und ...
Ach ja, und dann gibt es da ja auch noch so ein Willkommens-Schild in Lappland. An dem bin ich zwar schon mal vorbei gefahren, aber das Foto davon fehlt mir
Wer schreibt hier?
- Detlev, Jahrgang '61
- Motorradfahrer - Wanderer - Radfahrer
- Hobbyfotograf
- Unterwegs immer mit Kamera, Block und Stift "bewaffnet"
Mehr über mich findest Du hier.
Vor einigen Jahren habe ich begonnen, mir auf meinen Touren Notizen zu machen, mal mehr und mal weniger ausführlich. Diese "TourNotizen" kannst Du Dir auf den Seiten Deutschland und Europa ansehen.
Viel Spaß dabei!
Warum eigentlich grüßen sich Motorradfahrer?
Irgendwann habe ich mir genau diese Frage gestellt und mich im Bekanntenkreis und auf den Motorradtreffs umgehört. Überraschenderweise konnte mir niemand so wirklich eine Erklärung dafür geben.
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