Pilgerweg "Schola Dei"
Wir sind bereits am Mittag gegen 14:00 Uhr im Ostfriesischen Ihlow. Unsere Unterkunft finden wir Dank Navi ganz problemlos, und wir können auch gleich die Zimmer beziehen. Die sind einfach und auch nicht besonders groß, aber sauber und günstig: 20,- Euro pro Person und Nacht, und ein Frühstück ist auch noch inklusive - was wollen wir mehr?
Unterwegs hat es immer wieder einige Regenschauer gegeben, und auch jetzt sieht es so aus, als ob der Himmel jeden Moment seine Schleusen öffnen wird. Daher fahren wir mit dem Auto zum Startpunkt unserer Tour, dem ehemaligen Zisterzienserkloster im Wald von Ihlow. Unsere Wanderung wollen wir zwar erst Morgen beginnen, aber warum sollen wir nicht bereits heute einen Blick auf die Anlage werfen. Und diese hat es wirklich in sich. Das eigentliche Kloster ist schon längst verfallen, und an dessen Stelle wurde eine "Klosterkirchen-Imagination" errichtet: Ein fast 68 Meter langes, rund 35 Meter breites, und beinahe 45 Metern hohes Gewölbe-Ensemble aus Holz und Stahl. Im Jahr 2009 wurde es nach rund vier Jahren Bauzeit fertiggestellt, und als wir da mittendrin stehen, bekommen wir einen guten Eindruck von der Größe, die dieses Kloster einmal gehabt hat. Abgerissen wurde es übrigens im Jahre 1529, nachdem es im Zuge der Reformation aufgelöst wurde.
Der Klostergarten ist nicht gerade riesig, und seine ursprüngliche Existenz auch nicht historisch belegt. Aber da die Zisterzienser, also die Mönche der Zisterzienserklöster, seinerzeit Selbstversorger waren, ist es durchaus wahrscheinlich, dass es so einen Garten damals tatsächlich gegeben hat. Allerdings wohl ein wenig größer. Trotzdem werden hier und heute alle vier Themen aufgegriffen, die so eine Anlage zu jener Zeit üblicherweise hatte. Da wäre zunächst der "Heilpflanzengarten". Hier wachsen die Pflanzen, die im Mittelalter mit mehr oder weniger Erfolg als Arznei genutzt wurden. Der zweite Bereich beinhaltet den "Hexengarten". Dieser beherbergt Pflanzen, die ganz oder in Teilen giftig sind oder denen mystische Kraft zugeschrieben wurden. Einen eigenen Bereich, nämlich den "Mariengarten", erhielten die Pflanzen, die im Mittelalter mit der Jungfrau Maria in Verbindung gebracht wurden. Die war nämlich die Schutzpatronin der Zisterzienser. Und schließlich gibt es noch den "Küchengarten", auch "Karlsgarten" genannt. Darin wurden all die Pflanzen und auch Bäume gepflanzt, die Karl der Große für seine Untertanen als gut befunden hat. Das alles ist viel Arbeit, trotz der relativ kleinen Ausmaße, und die wird von den "Klosterfrauen" verrichtet, einer Gruppe von Frauen aus dem Klosterverein sowie der Hermann-Tempel-Gesamtschule in Ihlow.
Nun wissen wir, wo unsere Wanderung Morgen beginnen wird. Mittlerweile hat der Regen aufgehört, und wir fahren am Abend in das nicht weit entfernte Marienhafe, um dort etwas zu essen. Dort erfahren wir auch, dass auf dem Platz hinter der Kirche heute Abend ein "Midsommerfest" stattfindet. Das wollen wir uns genauer ansehen und so laufen wir nach dem Essen die paar Schritte bis zu der Kirche mit dem bekannten Störtebekerturm. Das Fest ist schon im vollen Gange. Trachtengruppen führen Tänze vor, an dem sich auch die Touristen beteiligen können. Zwischendurch sorgen zwei lokale Musiker mit Gitarre und Handtrommel für Abwechslung. Nett ist es hier, aber leider ziemlich leer. Obwohl der Platz nicht besonders groß ist, ist er nur gut halb voll. Das nicht gerade schöne Wetter wird wohl einen Großteil dazu beitragen, dass die Künstlerinnen und Künstler ihr Können nur einem recht geringen Publikum präsentieren dürfen. Wirklich schade!
Nach dem Frühstück, es ist fast neun Uhr, laufen wir los. Der Himmel ist noch immer grau und es weht ein starker Wind, aber es ist trocken. Unser erstes Ziel ist wieder das Zisterzienserkloster, das wir gestern ja schon ausgiebig erkundet hatten. Dort ist der Start der Tour. Gut gelaunt wandern wir also zunächst durch den Ort, dann durch einen Wald, bis wir wieder vor dem imposanten Gebilde stehen.
Eine knappe halbe Stunde wandern wir so, und laufen dabei zwischen "Ludwigsdorf" und "Plaggefeld" hindurch, bis nach "Mümkeweg". Dort biegt der Weg dann nach rechts ab, und verlässt endlich die Straße. Nun führt er über Felder und Wiesen.
"Seid Ihr Pilger?" fragt er uns freundlich. Wir nicken und erzählen ihm, dass wir an diesem Morgen in Ihlow gestartet sind und nun unsere erste Station erreicht haben. Leider entpuppt sich der freundliche Mann als Bestattungsunternehmer und erklärt uns, dass in der Kirche gleich eine Beerdigung stattfinden wird. Oh, das war wohl nichts mit Rast und Besinnung an dieser Station...
Aber da kann man nichts machen. Nur kurz sehen wir uns in der Kirche um. Der Mann vom Bestattungsinstitut weist uns noch auf eine zugemauerte Tür hin. Dort war früher der Eingang, und von außen ist auch heute noch eine Stück Eisen zu sehen, dass fest in der Wand verankert ist. Früher wurden dort Diebe "an den Pranger" gestellt. So konnten alle Kirchgänger den Verurteilten ins Auge gucken. Manche wurde auch bespuckt. Nach ein paar Tagen Pranger wurden die Verurteilten dann freigelassen, aber jeder im Ort hat gesehen, dass sie schuldig waren.
Warum der Schäfer jedes Wetter liebt (Anthony de Mollo) Ein Wanderer: "Wie wird das Wetter heute?" Der Schäfer: "So, wie ich es gerne habe." "Woher wisst ihr, dass das Wetter so sein wird, wie ihr es liebt?" "Ich habe die Erfahrung gemacht, mein Freund, dass ich nicht immer das bekommen kann, was ich gerne möchte. Also habe ich gelernt, immer das zu mögen, was ich bekomme. Deshalb bin ich ganz sicher: Das Wetter wird heute so, wie ich es mag." |
Nach dieser Pause machen wir uns wieder auf dem Weg, werfen dabei allerdings keinen genauen Blick auf die Karte. Und so wandern wir weiter an der Straße entlang, bis wir einen Ort namens "Bedekaspel" erreichen und dort endlich merken, dass wir vom Weg abgekommen sind. Mittlerweile haben auch die Wolken am Himmel zugenommen - gibt es etwas Regen? Wir nutzen diesen Umstand jedenfalls für eine weitere Pause. Bedekaspel liegt direkt am "Großem Meer", daher finden wir hier auch ein Cafe, das geöffnet hat. Wir bekommen einen Cappuccino mit Marzipangeschmack und sind uns einig, dass uns der nicht besonders schmeckt. Trotzdem war die Entscheidung zur Pause richtig, denn während wir innen sitzen, regnet es draußen. Nicht viel und auch nicht stark, aber es ist doch schöner, im trockenen zu sitzen, als durch den Regen zu laufen.
Zum Glück dauert der Regen nicht allzu lang, und so wandern wir bald darauf zurück nach Wiegoldsbur, und nehmen dort hinter der Kirche den richtigen Weg. Dieser ist schnurgerade und asphaltiert, aber Autos fahren hier zumindest heute nicht. Dafür wird der Himmel immer dunkler, und wir schauen mehr nach oben, als das wir auf die Landschaft achten, durch die wir wandern. Schade, denn eigentlich ist es hier recht schön.
Wir haben zwar wasserabweisende Kleidung an, aber bei diesem Regen nutzt die auf Dauer nicht viel. Daher sind wir schon ziemlich durchnässt, als wir schließlich Georgsheil erreichen. Wir haben die Hoffnung, hier ein offenes Lokal zu finden, aber leider alles ist geschlossen. Wir flüchten uns zum Busbahnhof, müssen aber feststellen, dass der nächste Bus erst in zwei Stunden fahren wird. Der Regen ist zwar mittlerweile in ein feines Nieseln übergegangen, aber nass, wie wir sind, wollen wir nicht mehr weiter laufen. Und wofür hat man eigentlich ein Smartphone? Wir suchen im Internet nach einem Taxiunternehmen hier in der Nähe, und bestellen uns ein Taxi. Das bringt uns zu unserer Unterkunft nach Ihlow, wo wir duschen und uns trockenen Sachen anziehen. Mittlerweile ist es später Nachmittag, und wir fahren mit unserem Auto nach Aurich, um im dortigen Mexikanischen Restaurant den Tag zu beschließen. Beim Essen überlegen wir auch, ob wir Morgen die Wanderung in Georgsheil wieder aufnehmen sollen. Aber das werden wir vom Wetter abhängig machen.
Gegen 23:00 schließlich sind wir wieder in Ihlow in unserer Unterkunft. Ein wenig traurig bin ich schon, dass wir den Weg heute nicht wie geplant bis Marienhafe laufen konnten. So haben wir einige Stationen auf dem Pilgerweg verpasst: Die Brücke am Abelitz-Moordorf-Kanal; das Ehemaliges KZ in der Nähe der Kirche Engerhafe; sowie die Wilden äcker mit dem Gedenkstein zur Schlacht Anno 1427. Und natürlich Marienhafe selbst, mit seinem bekannten und weithin sichtbaren Störtebeker-Turm. Daher hoffe ich, dass wir morgen die Pilgertour in Georgsheil wieder aufnehmen können.
Norden ist leicht zu finden, da gut ausgeschildert, und auch vor Ort haben wir Glück bei der Parkplatzsuche: Direkt vor dem Marktplatz finden wir die letzte freie Lücke, die wir natürlich gerne nutzen. Beim Aussteigen bemerken wir, dass hier heute ein Trödelmarkt stattfindet. Wir blicken zum Himmel hinauf: Bleibt es wohl trocken? Der Wind spielt zwar Billard mit den Wolken, aber nach Regen sieht es nun nicht gerade aus. Also schlendern wir zunächst einmal über den Platz, und schauen uns an, was die Ostfriesen so zu verkaufen haben. Hier gibt es wirklich nur Trödel. Neue Ware, wie ich das von heimischen Märkten her kenne, sehe ich überhaupt nicht. Aber gerade das gefällt mir gut, und auch die Preise scheinen mir moderat. Nur genau das, was mich interessiert, übersteigt mit schöner Regelmäßigkeit dem, was ich zu bezahlen bereit bin. So kaufe ich mir nur zwei kleine Figuren, aber auch erst langen Zögern und noch längerem Verhandeln.
Als nächstes besuchen wir die direkt hier am Platz gelegene Ludgerikirche. Sie ist auch das Ziel des Pilgerweges Schola Dei. Wären wir also die ganze Strecke gelaufen, so hätten wir auch dann zum Abschluss diese Kirche besichtigen. Sie ist die größte mittelalterlich Kirche Ostfrieslands und dem heiligen Ludgeri geweiht, dem Apostel der Friesen und ersten Bischof von Münster. Ihr heutiges Aussehen hat sie in mehreren Bauabschnitten erlangt.
2008 entdeckte sie zufällig der Vorsitzenden des Födervereins "Freunde der Klosterstätte Ihlow e.V.", und bat darum, sie im Dachreiter der Klosterstätte Ihlow aufhängen zu dürfen. Die Kirchengemeinde Schillig und das Bischöfliche Offizialat in Vechta stimmten zu, und so fand die Glocke aus dem Watt hier in Ihlow eine neue Heimat.
Damit ist die Geschichte allerdings noch nicht zu Ende: Im Frühjahr 2009 wurde sie nämlich genau von dieser Stelle gestohlen und ist bis heute nicht wieder aufgetaucht. Im September 2009 wurde daher eine Kopie angefertigt und hier auf gehangen.
Was soll man sagen zu einer Wanderung, die man machen wollte, aber wegen zu starken Regen abbrechen musste? Natürlich, dass man es noch einmal versuchen möchte. Was sonst?
Aber will ich das wirklich? Will ich wieder rund die Hälfte des Wegs an und auf Straßen entlangwandern, den harten Asphalt unter den Sohlen? Ich weiß zwar, dass sich der Pilgerweg an den Wegen orientiert, den die Menschen auch vor hunderten von Jahren schon gegangen sind. Und da fuhren nun mal noch keine Autos, sondern kam lediglich mal ein Reiter oder eine Kutsche vorbei. Doch dieses Wissen nützt mir wenig, wenn heute PKWs und LKWs direkt neben mir vorbeirasen.
Ich bin der Meinung, die Ruhe und Besinnung des Pilgerns muss vom gesamten Weg ausgehen. Und nicht nur von einzelnen Punkten und Stationen. Daher komme ich nach Ostfriesland gern wieder, nur nicht zum Pilgern.
Einige Flyer und Infoblätter:
- Karte des Pilgerweges Scholar Dei
- Stille Räume im Kloster Ihlow
- Klostergarten von Kloster Ihlow
- Wibadi-Kirche in Wiegboldsbur
- Stadt Norden - Ludgerikirche
- Arp-Schnitger-Orgel der Ludgerikirche
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Wer schreibt hier?
- Detlev, Jahrgang '61
- Motorradfahrer - Wanderer - Radfahrer
- Hobbyfotograf
- Unterwegs immer mit Kamera, Block und Stift "bewaffnet"
Mehr über mich findest Du hier.
Vor einigen Jahren habe ich begonnen, mir auf meinen Touren Notizen zu machen, mal mehr und mal weniger ausführlich. Diese "TourNotizen" kannst Du Dir auf den Seiten Deutschland und Europa ansehen.
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Die schönsten Reisezitate
"Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nicht angeschaut haben."
Nicht nur der berühmte deutsche Forschungsreisende Alexander von Humboldt wusste, dass Reisen den Horizont erweitert :o)