Wismar: Stipvisite an der Ostsee
Ankunft im kleinen Bahnhof von Wismar
Tierische Begegnungen: "Die Schweinsbrücke"
Nur wenige Schritte von unserer Unterkunft entfernt, sozusagen "um die Ecke", befindet sich die Schweinsbrücke. Nein, das ist kein Schreibfehler, die Brücke heißt tatsächlich so. Ursprünglich kommt dieser Name vermutlich aus dem Mittelalter. über diese Brücke wurden früher die Schweine zum Marktplatz getrieben. Wo damals gemauerte Bogenbrücken standen, befinden sich heute nur noch vier Eckpfosten. Und auf jedem dieser vier Pfosten steht eine kleine Schweinefigur aus Bronze: Eins steht, ein weiteres sitzt, ein drittes suhlt sich auf dem Rücken und das vierte liegt auf dem Bauch.
Die "Schweinsbrücke" heißt wirklich so :o)
Schwein auf der "Schweinsbrücke"
Die Wismarer müssen glückliche Menschen sein...
Glück und Glaube
Wer sich nicht allein auf sein Glück verlassen möchte, kann sich gleich um die Ecke auch Beistand von ganz oben erbeten: Direkt an der Schweinsbrücke erhebt sich groß, mächtig und unübersehbar die Kirche St. Nikolai. Die dreischiffige Basilika, von 1381 bis 1487 als Kirche der Seefahrer und Fischer erbaut, dient heute der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde St. Nikolai in der Propstei Wismar.
Die Kirche St. Nikolai
Viel los ist hier drinnen nicht, nur wenige Menschen haben sich außer uns hier hinein "verirrt". Gleich im Eingangsbereich empfängt uns diese Ruhe, die so charakteristisch für Kirchen ist. Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber die meisten Menschen flüstern, wenn sie durch die Kirchengänge gehen und sich dabei unterhalten. Bei mir ist es nicht anders, auch ich verfalle sofort in dieses leise sprechen. "Quer durch den Saal" ruft hier niemand.
Es gibt eine Menge zu sehen. Kirchenchor und -schiff wirken sehr groß, da sie nicht voneinander abgetrennt sind. Beim schlendern durch die Kirche entdecken wir Kanzel, Taufbecken, Orgel und verschiedene Altäre. Und da wir im Reformationsjahr sind, wird noch eine besondere Installation gezeigt. "Himmlische Luftballons - Geist-Tropfen - Leuchtkörper" heißt sie und soll die Gedanken und Inspirationen symbolisieren, die zwischen Himmel und Erde schweben. Nett gemacht, finde ich.
In der Kirche St. Nikolai
In der Kirche St. Nikolai
In der Kirche St. Nikolai
"Himmlische Luftballons - Geist-Tropfen - Leuchtkörper": Installation in der Kirche St. Nikolai
Wir verlassen die St. Nikolaikirche und folgen der "Grube" in Richtung Westen. "Grube", das hört sich nach einem dunklen, düsteren Gang an, ist aber ein regulierter Bach, der hier in Wismar quer durch die Innenstadt fließt und in die Ostsee mündet. Als er Mitte des 13. Jahrhunderts angelegt wurde, diente er zur Trink- und Brauchwasserversorgung der Wismarer Bürger. Außerdem wurde sein Wasser zum Löschen bei Bränden genutzt.
Unterwegs entlang der "Grube"
Unterwegs entlang der "Grube"
Kurz bevor die "Grube" unter einer Straße hindurch in die Ostsee fließt, unterquert sie das wohl schrägste Gebäude der Stadt: Ein denkmalgeschützten Fachwerkhauses mit dem Namen "Gewölbe". Dieses Gebäude wurde Mitte des 17. Jahrhunderts errichtet und war ursprünglich Teil der Stadtbefestigung, die Wismar damals umgab. Hier testeten die "Weinherren" die im Hafen angelieferten Weine auf ihre Qualität. Klingt für manch einen jetzt wohl nach einem Traumjob :o) Später wurde hier zunächst Bier ausgeschenkt, anschließend dann eine Fischräucherei untergebracht. Was für die Bewohner der Stadt außerdem wichtig war: Die Grube wurde früher bei Stadtbränden genau hier am Gewölbe gestaut, so das genügend Wasser zum Löschen da war.
Ganz schön schräg: Das "Gewölbe"
Genau diese Straße "Am Hafen" überqueren wir jetzt und stehen dann direkt am Meer. Hier beginnt der "Alte Hafen" und ganz stilecht stehen hier auch einige Fischbuden. Deren Anblick sorgt sofort für ein knurren in unseren Mägen. Also kaufen wir uns kurzentschlossen je ein Fischbrötchen, das wir von der Verkäuferin gemeinsam mit einem guten Rat ausgehändigt bekommen:
"Passt auf, das die Möwen Euch das Brötchen nicht klauen".
Ich schaue mich um und tatsächlich: Einige besonders große Exemplare von Möwen stehen in unmittelbarer Nähe und schauen mich an, als wollten sie sagen
"Gibst Du uns das freiwillig oder sollen wir es uns holen?"
Aber mein Hunger ist stärker als der Respekt vor diesen Riesenschnäbeln. Also beiße ich beherzt in das Brötchen und ... mmmh, lecker!
Der "Alte Hafen"
Brötchen kauend schlendern wir weiter auf einer Art Betonpier, der wie eine Landzunge in die Ostsee ragt. Links ist das Meer, rechts stehen zweigeschossige Häuser, in denen unten die typischen Geschäfte für Touristen und darüber im Obergeschoss Ferienwohnungen untergebracht sind. Im Hintergrund erheben sich zwei riesige, alte Betonklötze: Zum einem ist das der "Thormann-Speicher", der wegen der Sanierung der Backsteinfassade momentan eingerüstet ist. Er soll nach seiner Restaurierung als Bürogebäude genutzt werden. Zum anderen steht dort der "Ohlerich-Speicher". Von hier unten sieht die Spitze aus wie ausgebrannt. Auch bei ihm steht die zukünftige Verwendung bereits fest: Hier sollen Ferienapartments entstehen.
Viel schöner ist da doch der Blick nach links auf das Wasser: Hier liegen Fahrgastschiffe, die Ausflugs- bzw. Hafenrundfahrten anbieten, außerdem der historische Nachbau einer Kogge und ein Großsegler. Dazwischen tummeln sich einige kleinere Boote.
Im "Alten Hafen"
Im "Alten Hafen"
Einfach, aber effektiv, würde ich mal sagen.
Baumhaus im "Alten Hafen"
Schwedenkopf vor dem Baumhaus
Im "Alten Hafen"
Im "Alten Hafen"
Im "Alten Hafen"
Mittlerweile ist es später Nachmittag und ein wenig kühl geworden. Und außerdem melden sich unsere Mägen. So ein kleines Fischbrötchen reicht nun mal nicht für den ganzen Tag. Also verlassen wir schweren Herzens "unsere" Bank und gehen den Pier zurück Richtung Innenstadt. Wieder queren wir die Straße "Am Hafen", diesmal allerdings in anderer Richtung und an einer anderen Stelle und stehen dadurch vor dem "Wassertor". Im Mittelalter war es Teil der Stadtbefestigung und eines von insgesamt fünf großen Toren der Stadt. Und auch als Filmkulisse diente es schon: Der Filmklassiker "Nosferatu" wurde hier im Jahre 1921 gedreht.
Das "Wassertor", Filmkulisse für den Filmklassiker "Nosferatu"
Es ist bereits dunkel, als wir das Brauhaus verlassen und zu unserer Unterkunft gehen. Es war heute ein wirklich schöner Tag hier in Wismar. Auch für Morgen haben wir uns einiges vorgenommen, was wir unternehmen möchten. Die Wettervorhersagen sind zwar nicht besonders gut, aber egal wie es kommt, wir werden das Beste daraus machen.
Tagesabschluss im Brauhaus
Das "Welt-Erbe-Haus"
Und dieser Regen hat zwar nicht aufgehört, aber zumindest nachgelassen, als wir uns rundum gestärkt auf den Weg Richtung "Welt-Erbe-Haus" machen. Das im Juni 2014 eröffnete, zweigeschossige Haus befindet sich direkt neben der Touristeninformation. Hier kann man sich über das Thema "Welterbe" im Allgemeinen und zur Altstadt von Wismar im speziellen informieren. Aber auch die Geschichte des Hauses selbst wird ausführlich und informativ dargestellt. Immerhin stammt es aus der Zeit um 1350 und hat in den Jahrhunderten bis heute eine recht wechselvolle und auch interessante Geschichte. Als Highlight des Welt-Erbe-Hauses gilt der sogenannte "Tapetensaal" im Obergeschoss. In diesem Raum werden 64 Quadratmeter Wandfläche von wertvollen Papierdrucken bedeckt, die im Jahre 1823 in Paris hergestellt wurde. Kleine kuriose Geschichte dazu am Rande: Im Jahre 1995 (damals stand das Haus leer) rissen unbekannte Diebe die Tapete von den Wänden. Glücklicherweise wurden die Tapetenrollen nur kurze Zeit später wiedergefunden und anschließend aufwändig restauriert. Das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen.
-> Tapetensaal im "Welt-Erbe-Haus"
-> Tapetensaal im "Welt-Erbe-Haus"
-> Im "Welt-Erbe-Haus"
-> Die Heiligen-Geist-Kirche
-> In der Heiligen-Geist-Kirche
-> In der Heiligen-Geist-Kirche
-> In der Heiligen-Geist-Kirche
Man kann aus dem Innenraum theoretisch auch in die Nebengebäude gelangen, aber die Türen sind versperrt. Was mich jedoch nicht weiter stört, denn es gibt in der kleinen Kirche auch so genug zu entdecken.
Das Gotteshaus der Landesherren und Handwerker: St. Georgen
Als wir die Heiligen-Geist-Kirche wieder verlassen, hat der Regen aufgehört. Zwar glänzt der Asphalt noch in einem silbrigen Nass, aber die Regenschirme der Passanten sind verschwunden. Am Himmel treibt der Wind die grauen Wolken vor sich her und lässt immer wieder kleine, blaue Flecken aufblitzen. Wir gehen nur zweimal um eine Häuserecke und stehen bereits nach wenigen Metern vor der Kirche St. Georgen. Und die ist mächtig groß. Ich muss den Kopf weit zurück in dem Nacken legen, um ganz oben das Ende sehen zu können.
-> St. Georgen
In den 1950er Jahren wurde ein neuer Dachstuhl über dem Hochschiff aufgebaut, dieser wurde allerdings nie eingedeckt und brach daher in späteren Jahren wieder in sich zusammen. Überhaupt wurde St. Georgen einfach seinem Schicksal überlassen und verfiel nach und nach. Wer weiß, was aus der Kirche geworden wäre, wenn es die Wiedervereinigung nicht gegeben hätte. Denn ab 1990 begann der Wiederaufbau der Georgenkirche und einen großem Anteil daran hatte die "Deutschen Stiftung Denkmalschutz", die immerhin rund 15 der benötigten 40 Millionen Euro bereitstellte.
-> In der Kirche St. Georgen
St. Marien, die Kirche ohne Kirchenschiff
Wiederum nur einen Steinwurf von St. Georgen entfernt steht der Kirchturm von St. Marien. Und der steht ziemlich alleine da. Er ist nämlich tatsächlich das einzige, was von dieser Kirche noch steht. Nachdem das Kirchenschiff bei einem Bombenangriff im zweiten Weltkrieg stark beschädigt worden war, wurde es im Jahre 1960 gesprengt. "Wegen akuter Einsturzgefahr" sagten die einen, "aus politischen Gründen" sagten die anderen. Aber egal, ob aus dem einen oder anderen Grund, Tatsache ist, dass die bis dahin als einer der schönsten Backsteinkirchen im Norddeutschen Raum geltende Kirche seitdem unwiderruflich verloren ist. Nur der Turm ist stehen geblieben. 80 Meter hoch, lässt er die Dimension erahnen, die die Kirche einst hatte. Diese Dimension lässt sich auch an dem aufgemauerten Grundriss ablesen, der anstelle des gesprengten Kirchenschiffs errichtet wurde. Diese andeutungsweise hergestellten Außenwände des Kirchenschiffes kann man besonders gut bei einer Turmbesteigung erkennen. Der Blick von oben ist sicher schon allein den schwierigen Aufstieg wert. Gut zu Fuß sollte man allerdings schon sein, wenn man den Gang hinauf wagen möchte. Denn auch, wenn es nicht mehr so mühselig und gefährlich ist wie einst, als hier die Turmwächter ihren Arbeitsweg hatten: Einen Aufzug gibt es nicht und die 220 Stufen müssen erst einmal bewältigt werden.
Dafür entschädigt dann der Blick hinunter auf die Umgebung.
-> Steht ziemlich einsam da: Der Kirchturm von St. Marien
-> Turmbesteigung von St. Marien
-> Glocke im Turm von St. Marien
-> Blick vom Kirchturm St. Marien auf die Grundmauern des Kirchenschiffs
-> Blick vom Kirchturm St. Marien auf den Marktplatz
-> Die Conditorei "Senf"
Nach dieser Stärkung machen wir uns auf Richtung Marktplatz. Dieser ist mit seinen 100 mal 100 Metern einer der größten Marktplätze in ganz Norddeutschland. Heute ist Markttag und wir schlendern zwischen den Ständen hindurch, deren Angebot sich nicht sonderlich von dem bei uns zuhause unterscheidet. Am Rand des Platzes befindet sich die "Wismarer Wasserkunst", ein weiteres Wahrzeichen der Stadt. Sie ist ein zwölfeckige Gebäude aus dem Jahre 1602 und diente einst der Wasserversorgung der Stadt. Das Wasser dazu wurde aus den nahegelegenen Metelsdorfer Quellen mittels Holzrohre hierher transportiert. Später, als dies nicht mehr ausreichte, wurde ein Wehrturm aus der mittelalterlichen Befestigungsanlage der Stadt, der an einem Süßwasserzufluss lag, zu einem Wasserturm umgebaut und das Wasser von dort ebenfalls mit Holzrohren mit der Wasserkunst verbunden. Erst 1873 wurde dieses Prinzip durch modernere, leistungsfähigere Anlagen abgewechselt.
Es gibt einige Details zu entdecken, wenn man sich das Bauwerk einmal aus der Nähe anschaut. Und die Wismarer Bürger haben sich sicher schon daran gewöhnt, dass hier ständig Menschen mit Fotoapparaten rund um "ihre" Wasserkunst laufen ;-)
-> Der Marktplatz von Wismar
-> Die Wasserkunst Wismar
-> Die Wasserkunst Wismar
-> Nix und Nixe an der Wasserkunst Wismar
-> Das Haus "Alter Schwede" (das rote Gebäude rechts)
-> Schwedenkopf
-> Das Rathaus von Wismar
-> Stadtrelief
-> Das Zeughaus, ehemals Waffenarsenal, heute Stadtbücherei
-> Yachten und kleinere Segelboote im Westhafen
-> Im Westhafen
-> Der "Alte Wasserturm"
-> Im Lindengarten
-> Gaststätte Nikolaiblick
Es wird langsam dunkel und wir gehen noch einmal zum "Alten Hafen". Einen richtigen Sonnenuntergang über dem offenen Meer kann man hier zwar nicht erleben, aber hier hat es uns sehr gut gefallen, daher möchten wir hier auch unsere Zeit in Wismar ausklingen lassen. Noch einmal schlendern wir an den kleinen Geschäften und großen Speichern vorbei bis zur Spitze des Piers und schauen hinaus auf die Ostsee. Eine kurzweilige und entspannte Zeit war es gewesen, genau der richtige Ort für zwei abwechslungsreiche Tage. Und es waren nicht nur die "großen" Sehenswürdigkeiten, die mir wirklich gut gefallen haben. Wismar hat Charme, was sich auch in den kleinen Gassen und Geschäften zeigt, durch die wir auf unseren Wegen durch die Stadt gelaufen sind. Wirklich Sehens- und Erlebenswert.
-> Abends im "Alten Hafen"
-> Abends im "Alten Hafen"
-> Abends im "Alten Hafen"
Vielleicht auch interessant für Dich: |
Zum Seitenanfang
Wer schreibt hier?
- Detlev, Jahrgang '61
- Motorradfahrer - Wanderer - Radfahrer
- Hobbyfotograf
- Unterwegs immer mit Kamera, Block und Stift "bewaffnet"
Mehr über mich findest Du hier.
Vor einigen Jahren habe ich begonnen, mir auf meinen Touren Notizen zu machen, mal mehr und mal weniger ausführlich. Diese "TourNotizen" kannst Du Dir auf den Seiten Deutschland und Europa ansehen.
Viel Spaß dabei!
Die schönsten Reisezitate
"Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nicht angeschaut haben."
Nicht nur der berühmte deutsche Forschungsreisende Alexander von Humboldt wusste, dass Reisen den Horizont erweitert :o)